Deadline 24
zur Seite, sank zusammen. Es war vorbei. Der Wirbel, der Windmann – verschwunden. Nur der Wind selbst heulte mit unverminderter Kraft in den Ruinen.
»Was«, stammelte Caleb, »war das?«
»Das machen die immer so!«, schluchzte Monnia.
»Sally?«, fragte Caleb.
»Windmann«, keuchte Sally. »Er war hier. Er ist fort. Ich habe so sehr auf ihn gewartet, auf ihn gehofft.« Tränen schossen ihr in die Augen, die ersten Tränen. Zornig wischte sie sie weg. »Was ist verkehrt an mir?«, schrie sie verzweifelt. »Ich hab alles so gemacht, wie Mutter gesagt hat. Ich hab ihn angeschaut, bei den Bauten des Zentrums! Org hat ihm sogar einen Sturm beschert und er haut einfach ab! Lässt uns allein! Oh, der Trugnebel hatte recht, der Windmann ist falsch, ich will nie wieder was von ihm hören, in Zukunft soll er mir …!«
»He, he!«, sagte Carlita mit seltsamer Stimme. Sie hatte sich aufgesetzt, versuchte auf die Füße zu kommen, aber irgendwie wollte ihr Körper ihr nicht gehorchen. Monnia half ihr auf.
»Danke, meine Schöne«, sagte Carlita, lehnte sich an die Mauer und wedelte sehr merkwürdig mit ihrer rechten Hand. »Ich wollte immer schon mal wissen, wer sich diesen Namen ausgedacht hat. Trugnebel. Findet ihr das nicht auch ein bisschen blass? Windmann ist okay, das hat Dynamik, sogar Poesie, aber Trugnebel? Lau, oder?«
»Windmann?«, krächzte Sally.
Carlitas Augen blinzelten ihr verschwörerisch zu.
»Warum hast du Carlita genommen?«, rief Sally. »Sie ist doch noch so klein!«
»War ein spontaner Entschluss«, erklärte Windmann. Er sprach mit Carlitas Stimme, beinahe jedenfalls. Die Tonlage stimmte, doch eine ganz neue Festigkeit schwang darin, ein blecherner, kühler, fast herablassender Klang. »So kann ich mit euch allen reden, nicht nur mit dir, Sally. Du kannst mir ganz andere Fragen stellen als Carlita, weil du älter und einsichtiger bist, und du wirst dankbar für die Augen- und Ohrenzeugen sein, glaub mir!«
»Trotzdem hättest du mich nehmen sollen!«
»Eifersüchtig?«
»Unsinn! Ich mache mir Sorgen um Carlita.«
»Die sind überflüssig. Sie schläft und hat außerordentlich schöne Träume von Babyziegen und anderen Dingen, von denen ich euch gleich berichten werde. Außerdem habe ich vor, ihr Erinnerungen an dieses Gespräch einzupflanzen. Wenn sie erwacht, wird es für sie sein, als hätte sie Wort für Wort alles mit angehört.«
»So etwas kannst du?«
»Natürlich.« Er schaute sich in ihrer ruinösen Unterkunft um. »Eigenartig, wieder mit menschlichen Sinnen zu sehen, zu riechen, zu hören.« Sein Blick fiel auf den kärglichen Proviant. Ein paar Zwiebacke, ein Bodensatz Bohnen und eine Flasche Wasser waren noch übrig.
»Essen!«, rief er erfreut. »Trinken! Ich habe seit Äonen nichts mehr zu mir genommen!« Mit steifen Schritten stakste er hinüber. »Mein Körpergefühl ist nach all der Zeit auch nicht mehr das, was es einmal war«, seufzte er, während er sich ungelenk setzte, nach Zwieback und Bohnen griff und zu essen begann. Er tat dies sehr manierlich, weitaus gesitteter, als Carlita es je gekonnt hätte.
»Köstlich«, seufzte er. Jetzt erst bemerkte er, dass seine drei Zuhörer immer noch dastanden und ihn mit offenen Mündern anstarrten, zumindest Caleb und Monnia. Sally betrachtete ihn nachdenklich.
»O bitte, nehmt Platz!«, forderte er sie höflich auf. Sie setzten sich zu ihm.
Er musterte stirnrunzelnd die Wasserflasche. »Ihr habt nicht zufällig etwas Stärkeres? Champagner? Einen schönen Roten oder wenigstens ein Bier? – Schnaps?«, fügte er mit einem hoffnungsvollen Blick auf Caleb hinzu. Der schüttelte wortlos den Kopf.
»Schade«, sagte Windmann. »Dies ist seit Ewigkeiten meine erste Nacht in einem Körper und gleichzeitig meine letzte überhaupt. Das schreit doch geradezu nach Champagner. Aber gut, wenn nur Wasser da ist, muss Wasser genügen.« Er nahm einen tiefen Schluck. »Ach, tut das gut!«, seufzte er genüsslich.
»Gehe ich recht …«, begann Caleb krächzend und räusperte sich. »Gehe ich recht in der Annahme, dass du das Windmann-Gespenst bist und von unserer Carlita Besitz ergriffen hast?«
»Ja, bis auf die Tatsache, dass ich kein Gespenst bin und auch nicht Besitz von ihr ergriffen habe. Ich bin nur zu Besuch, wenn du verstehst, was ich meine. Ich gehe wieder.«
»Freut mich zu hören«, sagte Caleb. »Irgendwie ist nämlich gerade nicht der richtige Zeitpunkt für Besuche. Unten auf dem Platz bangen unsere Freunde um ihr
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