Deadline 24
Kammern, pressten, schoben und zogen, doch nichts rührte sich. Padrinos Bein blockierte die Tür fester, als es die Stahlkette je getan hatte. Er schrie und fluchte, jammerte und flehte, die Schmerzen mussten unvorstellbar sein.
Sally wurde es schlecht. Dies ist die letzte Sekunde meines Lebens, dachte sie, glaubte schon, die Flügel der heranbrausenden Hybriden in der Luft schlagen zu hören, als sie ohnmächtig wurde. Nicht lange, höchstens ein, zwei Minuten, denn als sie wieder zu sich kam, war die Situation unverändert. Immer noch steckten sie gefesselt in ihrem Abteil der Tür, immer noch verhinderte Padrinos Bein seine Befreiung. Er schrie nicht mehr, stöhnte nur noch heiser und blickte mit glasigen Augen in das Stück Himmel über der Treppe.
Sally war benommen, etwas war sehr merkwürdig, doch sie wusste nicht, was. Monnia fragte mit brüchiger Stimme: »Wieso leben wir noch?«
Da erst kam sie drauf, natürlich, dass sie noch lebten, war merkwürdig. Eigentlich hätten sie längst zerfetzt sein müssen. Dann hörten sie den Helikopter. Vermutlich hatten sie ihn schon länger gehört, aber in all dem Grauen das Geräusch nicht einordnen können. Von Neuem begannen sie zu schreien, diesmal voller Hoffnung, rissen an dem Seil, das sie fesselte, versuchten, auf und ab zu hüpfen.
Und endlich erschien der Helikopter über ihnen, so groß, dass er den Ausschnitt des Himmels über der Treppe völlig verdeckte. Die seitliche Tür stand offen, eine Person beugte sich heraus, rief über den Schalltrichter: »Braucht ihr Hilfe?«
Calebs Stimme, er benutzte die gleichen Worte wie neulich über der Kuppel nach dem Hybridenangriff. Natürlich wartete er ihre Antwort nicht ab, er sah ja, was los war. Schnell und wendig ließ er sich herab. Und dann stand er vor ihnen, Caleb mit der zimtfarbenen Haut und den vielen gedrehten Zöpfchen.
»Sally!«, rief er. »Was hat euch Mädchen nur auf die Idee gebracht, herzukommen?«
»Wir wollten euch retten«, erklärte Sally.
»Oh, danke schön«, sagte Caleb, zog sein Messer und schnitt sie los.
»Bitte schön«, sagte Sally und rieb sich die tauben Gelenke. »Caleb von der Helikopter-Crew – Monnia von der Terleben-Farm, Pauls Verlobte«, stellte sie vor.
»Schön, dich kennenzulernen, Monnia«, sagte Caleb höflich, doch ein bisschen bedrückt, wie Sally fand.
»Und das«, fuhr sie fort, »ist Lord Pedro, Mitglied des Dreisterns von Esperanza. Er steckt in der Klemme.«
»Seh ich.« Caleb pfiff durch die Zähne. »Sieht böse aus, Mylord. Ihre Männer werden amputieren müssen.«
Padrino gab etwas von sich, das wie ein Zwitschern klang, und fiel in Ohnmacht. Sally war erleichtert darüber. Sie hasste diesen Mann, aber zu sehen, wie er Höllenqualen litt, konnte sie nicht länger ertragen.
»Caleb!«, rief Mariposa von drinnen.
Caleb sog scharf die Luft ein. »Mylady?«, gab er fragend zurück.
»Rückt den Helikopter heraus! Schickt Josslyn nach Hause und wir vergessen die ganze Geschichte. Wenn ihr unverzüglich gehorcht, überlege ich mir die Sache mit eurem Schiff noch mal und gebe es euch zurück. Vielleicht erlasse ich euch sogar ein bis zwei Raten.«
»Wer ist Josslyn?«, fragte Caleb.
In Sallys Verstand begannen sich ein paar Rädchen zu drehen. Sie schaute zu dem Helikopter hinauf, jemand hatte die seitliche Tür geschlossen.
»Überlegt es euch«, beschwor ihn Mariposa. »Das alles hier wächst euch doch über den Kopf! Er ist ein Herzfresser, habe ich recht?«
»Schon möglich«, seufzte Caleb. »Auf jeden Fall haben sich die Dinge verkompliziert. Ich geh jetzt mit den Mädchen die Treppe hinauf. Der Helikopter gibt uns Deckung. Komm also bloß nicht auf die Idee zu schießen, sonst schießt er zurück! – Er wird auf dem Platz landen«, wandte er sich an die Mädchen. »Dann könnt ihr einsteigen.«
»Wo ist Paul?«, erkundigte sich Monnia, als sie hinaufgingen.
»Fliegt den Helikopter.«
»Er verlässt ihn wohl nie mehr, was?«
»Könnte man so sagen.«
»Was ist ein Herzfresser?«, fragte Sally.
»Verschwinden wir erst mal«, wich Caleb aus.
Es war das unheimlichste Gefühl der Welt, am hellen Tag über den Platz zu gehen. Keine Kuppel, nur der weite Himmel. Die Mädchen waren überaus nervös, sie ertappten sich dabei, wie sie mit hohen Schultern und gesenkten Köpfen wie Schildkröten schlichen.
Sally wäre gerne gerannt, auch Monnia war deutlich anzumerken, dass sie ihre Ungeduld kaum noch zu zügeln vermochte, doch Caleb, der
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