Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
Wohnung der Rothaarigen verbracht hatte?
Seit diesem katastrophalen Vorfall hatte sie nahezu jede Frau, die sie kannte, im Verdacht, ihren Mann verführen zu wollen. »Das ist verrückt«, sagte sie zu sich selbst. Als sie in den Rückspiegel sah, blickten ihr ihre eigenen schmerzerfüllten Augen entgegen. Angstvolle Augen. Ein gehetzter Blick. O Gott, verlor sie den Verstand? Sie spürte, wie sie innerlich zitterte, und biss die Zähne zusammen. Reiß dich am Riemen, Cissy!
Sie umfuhr den Buena Vista Park und bog auf die Haight Street ein. Jetzt würde sie nach Hause fahren, mit Beejay spielen, ihm Abendbrot zubereiten, ihn baden. Sobald er im Bett war, würde sie sich ausziehen, ihre Sorgen von sich werfen und sich in der Badewanne in heißem, parfümiertem Wasser aalen. Sie würde ihre Lieblings-CD in den CD-Player schieben, Kerzen anzünden und sogar einen Schluck Wein trinken. Sich verwöhnen. Zu sich zurückfinden.
Sie würde nicht an ihre Mutter denken, nicht an die Morde, ihren untreuen Mann, die verschwundenen Gegenstände. Nein, sie würde sich entspannen und den Stress abschütteln.
Zu Hause angekommen, drückte sie die Taste der Fernbedienung und fuhr in die Garage. Sie schleppte ihre Tasche und den Laptop ins Haus und rief »Hallo«, hörte jedoch keine aufgeregten Trippelschritte, kein feines Stimmchen, das freudig rief: »Mommy ist da!« Kein Kinderlachen. Kein wildes Gebell von Coco. Im Haus war es still wie in einem Grab.
O nein!
»Hallo?«, rief sie noch einmal. Ihr Puls beschleunigte sich. Dann entdeckte sie Tanya draußen auf der dunklen Terrasse. Sie zog gegen den Wind die Schultern hoch, hielt sich ihr Handy ans Ohr, und als sie sich auf Cissys Ruf hin umdrehte, beendete sie hastig ihren Anruf und klappte das Handy zu.
Sie trat ins Haus und sagte: »Im Haus habe ich einen unglaublich schlechten Empfang.«
»Wo ist Beejay?«
»Jack hat ihn abgeholt.«
»Was?«
»Ich sagte: Jack …«
»Ich weiß, was du gesagt hast, aber ich verstehe es nicht«, fiel Cissy ihr ins Wort. »Ich dachte, du wüsstest, dass Beejay nicht …«
»Mit seinem eigenen Vater gehen darf?« Tanya sah sie an, als hätte sie nicht alle Tassen im Schrank.
»Hat er den Hund auch mitgenommen?«
»Ja, Gott sei Dank.«
»Wohin?«
»Ich weiß es nicht. Er hat angerufen und mir gesagt, dass ich mich nicht ums Abendessen zu kümmern brauche. Dann hat er Beejay und den blöden Hund abgeholt. Vor zehn Minuten sind sie aufgebrochen.«
»Aber …«
»Ich konnte dich nicht anrufen«, betonte Tanya. »Und du kommst spät.«
»Ich … hatte Probleme, mit denen ich nicht gerechnet habe.«
»Klar.« Sie zog die Mundwinkel ein. »Hör mal, ich weiß, dass du mich nicht leiden kannst. Warum, das weiß ich allerdings nicht. Ich mache meine Arbeit gut, aber dir ist es nie gut genug, nicht wahr? Es ist, als hättest du von Anfang an beschlossen, mich zu hassen. Vermutlich hat es etwas damit zu tun, dass Jack mich eingestellt hat und du sauer auf ihn bist. Wie auch immer, mir ist es egal, ich kündige.«
»Du kündigst?«
»Ich warte nicht, bis du mich feuerst. Ich weiß, dass du mit dem Gedanken spielst, also bringen wir es einfach hinter uns. In gewisser Weise ist es wirklich schade, denn ich mag Beejay sehr. Jack ist auch ganz prima, aber du und ich« – sie wedelte mit der Hand von sich zu Cissy und zurück –, »wir kommen einfach nicht miteinander klar.«
Cissy fiel dazu nichts ein.
Tanya griff bereits nach ihrem Mantel, der im Eingangsflur am Garderobenständer hing. »Ruf die Erzieherinnenschule an; dort haben sie Mädchen, die auf der Suche nach einem Job sind.« Sie schob die Hände in die Ärmel ihres Regenmantels und stülpte sich die Kapuze über den Kopf. »Vergiss nicht zu erwähnen, dass du einen Hund hast. Der kann durchaus zum Problem werden. Und … wenn ich schon mal dabei bin, Ratschläge zu verteilen, solltest du vielleicht mal einen Psychologen aufsuchen. Ich weiß, du hast eine Menge durchgemacht, aber ich finde, du solltest mit jemandem darüber reden und deinen Frust nicht an mir auslassen.« Damit ging sie zur Tür hinaus und schlug sie hinter sich zu.
Cissy stand mitten im Flur.
Was war gerade passiert?
Das Kindermädchen hatte ihr gekündigt?
Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und stieg die Treppe hinauf. Ein entsetzlicher Gedanke schoss ihr in den Kopf.
Wenn Tanya nun lügt? Wenn Jack gar nicht da gewesen war? Wenn Beejay gar nicht bei ihm war? Es war verrückt zu glauben, das
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