Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
Kindermädchen hätte etwas zu verbergen. Warum hätte sie dann auf Cissy warten sollen?
Wer sagt denn, dass sie gewartet hat? Vielleicht hast du sie erwischt, bevor sie aufbrach. Vielleicht ging es in dem hastigen Telefongespräch auf der Terrasse um etwas in dieser Richtung?
Ausgeschlossen. Sie hatte wahrscheinlich nur wegen eines neuen Jobs telefoniert. Mach nicht aus einer Mücke einen Elefanten.
Cissy griff nach dem schnurlosen Telefon und gab rasch Jacks Handynummer ein. Es klingelte einmal. Zweimal. »Los, mach schon, melde dich.« Es klingelte zum dritten Mal. Cissy ging ans Fenster zur Straße und blickte in die schwarze Nacht hinaus. Da draußen war niemand, Tanya war längst fort. Ihr Auto stand nicht mehr auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Es klingelte zum vierten Mal. »Jack, komm schon!«, schrie sie beinahe, als sich mit einer Reihe von Klickgeräuschen die Voicemail einschaltete. Nervös tippte sie mit dem Fuß auf und wartete, dass die Computerstimme sie anwies, nach dem Signalton eine Nachricht zu hinterlassen. »Jack, ich bin’s, Cissy. Ist Beejay bei dir? Ich bin zu Hause, und ich hatte einen schrecklichen Tag, und Tanya sagte …«
Scheinwerferlicht leuchtete die Straße hoch. Das Fahrzeug kam näher, fuhr bis zur Zufahrt, dann fiel das Licht auf die Mauer, als Jack einbog. Wie der Blitz rannte Cissy nach draußen. »Ist Beejay bei dir?«, fragte sie, als Jack an der Fahrerseite ausstieg.
»Hat Tanya dir nicht Bescheid gesagt?« Er sah sich um und sagte: »Ach, verdammt, sie ist gegangen! Ich habe ihr gesagt …«
»Nein, nein. Sie hat es mir ausgerichtet … Sie war hier. Es ist meine eigene Schuld, dass ich so ausflippe. Ich hatte einen höllischen Tag!« Sie hatte bereits den Rasen überquert und öffnete die hintere Tür des Jeeps. Ihr Sohn sah sie mit großen Augen an.
»Hi, Mommy!«, sagte er und strampelte aufgeregt mit den Beinchen.
Sie schnallte ihn los, hob ihn aus dem Kindersitz und drückte ihn an sich. Er legte seine kleinen Arme um ihren Nacken.
»Du hast mich vermisst.«
»O ja, Schätzchen, Mommy hat dich schrecklich vermisst.«
»Ganz schrecklich«, wiederholte er. Jack holte zwei weiße Beutel aus dem Jeep, die nach Knoblauch, Tomatensoße und Käse dufteten.
»Vom Italiener«, sagte er, »und eindeutig keine Pizza. Und du hattest einen schlimmen Tag?«
Vor ihrem inneren Auge sah Cissy wieder Marla an der Tür. »Du wirst es nicht glauben«, sagte sie leise, während sie über den Rasen zur immer noch offenen Haustür schritten.
»Versuch’s.«
»Später, wenn Beejay schläft.«
»Können Wein und Scampi Primavera dich aufheitern?« Ihr Magen knurrte. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
Jack sah sie an und fragte: »Ciss …?«
»Ja. Wein und Scampi Primavera.« Sie lächelte ihn zittrig an.
»Wir haben außerdem noch schön altmodische Spaghetti und Fleischklöße und Caesar-Salat.«
»Perfekt.«
»Du siehst aus, als würdest du gleich umkippen.«
Er griff nach ihrer Hand, und sie ließ es zu. An diesem Abend brauchte sie seine Kraft. Wenn sie es auch später vielleicht bereuen würde, beschloss sie doch, dass sie gemeinsam Abendbrot essen und ein Glas Wein trinken konnten. Sie würde die Vorhänge zuziehen. Nach einem Blick hinüber zu Saras Haus hätte sie schwören können, dass ihre Nachbarin durch die Jalousien spähte. Als Jack die Tür hinter ihnen schloss, fiel ihr flüchtig die Straßenlaterne auf der anderen Straßenseite ins Auge, und sie fragte sich, ob die Person, die sie kürzlich am Abend gesehen hatte, wohl zurückkommen würde.
Oder war sie nur eine Vorspiegelung ihrer wilden unberechenbaren Phantasie gewesen?
Sie hielt Beejay auf dem Arm, hörte, wie Jack den Riegel vorschob, und sagte sich, dass sie jetzt auf ein paar Stunden ihr Bewusstsein vor all ihren Ängsten verschließen konnte. An diesem Abend wollte sie mit ihrem Mann Chianti trinken, mit ihrem Sohn Spaghetti essen und Stunden später vielleicht Jack anvertrauen, was sie an diesem Tag im Haus ihrer Großmutter erlebt hatte.
»Wollen Sie damit sagen, Sie haben an dem Schraubenzieher, der im Schloss des Tors zu Eugenia Cahills Haus steckte, Haare gefunden, die Cissy Holt gehören könnten?«
»Ganz recht«, ließ Tallulah Jefferson Paterno vom Labortelefon aus wissen. »Wir haben Haarproben von ihr vom Tatort im Haus der Cahills. Unter dem Mikroskop entsprechen sie in Farbe und Struktur den am Schraubenzieher gefundenen. Allerdings kann ich erst ganz
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