Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
sicher sein, wenn ich den DNA-Test durchgeführt habe, und das dauert. An beiden Proben befanden sich Follikel, deshalb werde ich die Leute vom Labor um Eile bitten, aber es wird trotzdem Wochen dauern.
»Es ist also nur eine auf Sachkenntnis gestützte Vermutung?«, fragte Paterno und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, der protestierend ächzte.
»Auf große Sachkenntnis. Auf die einer Promovierten«, erinnerte sie ihn, und er hörte ihrer Stimme an, dass sie lächelte.
»Ja, ja, ich weiß«, sagte er. »Unsere Abteilung kann froh sein, Sie zu haben und so weiter.«
»Unbedingt. Ich muss jetzt aufhören. Ich dachte nur, Sie würden es wissen wollen.«
»Genau.«
Sie legte auf. Er kratzte sich am Kinn und hörte das Schaben seiner Fingernägel an seinem Fünf-Uhr-Bartschatten. Wie waren Cissy Holts Haare an den Schraubenzieher geraten? Warum sollte sie das Schloss außer Betrieb setzen und dann die Polizei rufen?
Um sie an der Nase herumzuführen?
Oder drehte sie durch?
Er war der Meinung, dass sie wirklich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehen konnte … Doch es konnte auch ein Trick sein. Vielleicht, um die Ermittlungen zu sabotieren? Indem sie vorgab, ihre Mutter gesehen zu haben, was gar nicht stimmte?
Wollte sie die Polizei auf eine falsche Spur lenken?
War Marla längst fort, über die Grenze, und Cissy steckte hinter den Morden?
Sein Sodbrennen meldete sich zurück, und er sagte sich, dass er unbedingt bald mal wieder zum Arzt gehen sollte, doch im Moment hatte er zu viel zu tun, um in einem Wartezimmer herumlungern zu können. Er öffnete seine Schreibtischschublade, kramte zwischen Bleistiften, Büroklammern, Kulis und Gummibändern und fand ein Röhrchen Magentabletten. Es war fast leer. Toll. Mit einer Hand schob er sich die letzten zwei Tabletten in den Mund, mit der anderen warf er das leere Röhrchen in den Müll.
Was gewann Cissy Holt, wenn sie die Wahrheit verdrehte?
Einen größeren Anteil am Vermögen der Familie?
Sicherheit für ihre Mutter?
Einen Sündenbock für ihre eigenen Verbrechen?
Er warf einen Blick in die aufgeschlagenen Akten vor ihm. Zwei Leichen. Rory Amhurst und Eugenia Cahill, und nur eine Frau, nämlich Marla Amhurst Cahill, war das Bindeglied zwischen ihnen.
Cissy Holts Mutter.
Paterno entschied, dass es an der Zeit war, Cissys privilegiertes Leben etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wer wusste schon, was da zum Vorschein kommen würde?
Cherise legte auf.
Sie war allein in ihrem neuen Haus, stand mitten in der Küche und wusste nicht, was sie tun sollte.
Sie hatte drei Nachrichten auf Donalds Handy und eine in seinem Hotelzimmer hinterlassen, doch er hatte noch nicht zurückgerufen. Zweifellos steckte er tief in den Verhandlungen über die Mission, die die Kirche in einem kleinen mexikanischen Dorf einrichten wollte. Trotzdem hoffte sie auf seinen Anruf, betete, dass er sich meldete. Er war ein so guter, lebenskluger Ehemann, und sie verließ sich mehr auf ihn, als gut für sie war. Ihre Ehe hatte auch schwere Zeiten hinter sich, aber im Grunde erlebte doch wohl jedes Ehepaar nicht nur Gutes, sondern auch Krisen. In letzter Zeit jedoch war das Verhältnis zwischen ihr und ihrem Mann gut. Oder?
Stell ihn nicht in Frage! Lerne, ihm zu vertrauen.
Vielleicht hatte Gott oder der Reverend selbst aus diesem Grund entschieden, dass sie keinen Antwortanruf erhalten sollte. Damit sie eigene Entscheidungen traf, selbst stark war.
Es passte ihr überhaupt nicht, dass alle Welt sie für schwach hielt, dass ihre vorangegangenen drei Ehen als Beweis für ihre Unfähigkeit gewertet wurden, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. So war es nicht. Sie konnte es durchaus. Sie wollte es nur nicht. Sie war gern verheiratet, liebte es, Teil eines Paars zu sein, brauchte das Gefühl, die Hälfte eines massiven Ganzen zu sein. In den wenigen Monaten ihres Singledaseins zwischen zwei Ehen hatte sie sich stets verloren gefühlt. Ohne Boden unter den Füßen. Als müsste sie auf offenem Meer ertrinken.
Doch Reverend Donald hatte sie gerettet, sie hatten geheiratet und diese perfekte Verbindung ins Leben gerufen. Nun ja, beinahe perfekt. Und deshalb wollte sie mit ihm reden, um ihm zu sagen, dass sie absolut sicher war, Marla in einem silberfarbenen Auto in der Nähe des Cahill-Anwesens gesehen zu haben, an dem Cherise häufig vorbeikam. Sie war eine Straße beim Universitätskrankenhaus entlanggefahren, das an das Grundstück angrenzt. Dort hatte sie eindeutig Marla
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