Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
mehr noch als der Kratzer an seinem Wagen … oder mindestens genauso sehr. Er war immer noch wütend auf das Arschloch, das seinen geliebten Caddy verunstaltet hatte.
Cissy hatte ihm eine groteske Geschichte erzählt – wie sie ins Haus kam, glaubte, allein zu sein, und dann Marla Cahill an der Haustür gesehen hatte. Sie war fast schon überzeugt gewesen, sich alles nur eingebildet zu haben, bis sie dann den Parfümduft in ihrem Wagen roch und den Schraubenzieher im Schloss des elektronisch gesteuerten Tors sah.
Im Schein seiner Taschenlampe sah Paterno sich um. Er hatte den Schraubenzieher als Beweisstück in einem Plastikbeutel verstaut und auf dem Boden nach Fußabdrücken gesucht, doch der Regen hatte so ziemlich alles weggespült. Er fragte sich, warum Marla das Wagnis eingehen sollte, hierherzukommen. Hatte sie geglaubt, sich hier verstecken zu können? Warum hatte sie nicht mit Cissy gesprochen? Und warum hatte sie den Aufzug in den ersten Stock geschickt?
Das alles ergab keinen Sinn.
Er rief Quinn an, und sie beschlossen, die Kriminaltechniker kommen und nach Spuren suchen zu lassen. Irgendwann tauchten dann Tallulah Jefferson und Roger Billings, einer ihrer Kollegen, auf. Sie nahmen sich das ganze Haus vor, stäubten auf der Suche nach Fingerabdrücken die Haustür ein, suchten noch einmal nach Fußabdrücken und sammelten alles ein, was womöglich als Beweisstück dienen konnte. Sie stäubten sogar Cissys Auto ein und saugten es ab, in der Hoffnung, dort auf Hinweise zu stoßen.
»Ist Ihnen sonst noch etwas Merkwürdiges aufgefallen?«, fragte Paterno.
»Alles erscheint mir … sonderbar«, gestand Cissy. Inzwischen war es dunkel, der Regen hatte aufgehört, doch das Wasser floss immer noch den Hügel herab in den Gully mitten auf der Zufahrt. »Ich habe ein paar Dinge verlegt.«
»Zum Beispiel?«
Sie wirkte verlegen. »Nichts Wertvolles. Mein Handy, einen silbernen Becher, den Gran Beejay zur Geburt geschenkt hat, und … oh, und meine Haarbürste. Aber ich vermute, dass sich alles noch irgendwo im Haus befindet. Am Tag der Trauerfeier waren so viele Leute dort. Da können schon ein paar Sachen verlegt worden sein.«
»Ihr Handy?«
»Es war ausgeschaltet. Ich dachte, es wäre in meiner Handtasche, aber vielleicht ist es herausgefallen. Alles andere war noch da. Ich habe nachgesehen. Kreditkarten, Ausweis und Bargeld. Alles war dort, wo es hingehört. Nur das Handy fehlte. Ich habe die Nummer angerufen, in der Hoffnung, dass jemand es gefunden hat und sich meldet, aber es schaltet gleich auf Voicemail. Und niemand ruft zu Hause auf dem Festnetz an, obwohl unsere Nummer im Telefonbuch meines Handys aufgelistet ist, für den Fall, dass jemand es findet und mich anrufen möchte. Das ist wirklich lästig, glauben Sie mir. Denn ich habe sämtliche Nummern im Telefonbuch des Handys gespeichert.«
»Sie glauben, jemand hat es gestohlen?«, fragte er noch einmal, bemüht, die Situation zu verstehen.
Sie wandte den Blick ab, sah über den eisernen Zaun hinweg auf die tiefer gelegene Seite des Grundstücks zur Stadt hin, wo durch eine Nebelbank Lichter blinkten. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, gestand sie. »Im Moment ist mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt.« Seufzend sah sie auf die Uhr und sagte: »Ich muss mich jetzt wirklich beeilen. Die Babysitterin wartet schon seit einer Viertelstunde auf mich.«
»Okay. Aber benachrichtigen Sie mich, wenn Ihnen noch etwas einfällt.«
»Mach ich«, versprach sie, und zum allerersten Mal hatte er das Gefühl, dass sie ihm vertraute.
Cissys Nerven waren zum Zerreißen gespannt, ihre Hände umklammerten das Lenkrad, als hätte sie Angst, es loszulassen. Sie folgte den Heckleuchten eines Geländewagens den Mt. Sutro herab auf die Stanyan Street.
Seit dem Tod ihrer Großmutter verlor sie zunehmend die Kontrolle über ihr Leben. Um sie herum starben Menschen. Dinge verschwanden. Sie hatte das Gefühl, von unsichtbaren Augen beobachtet zu werden, und jetzt auch noch das hier … ihre Mutter. Ergab das etwa einen Sinn?
»Nein«, sagte sie laut, und als sie vor einer Ampel halten musste, dachte sie an die bevorstehende Scheidung und ihre eigene Zerrissenheit deswegen. Hatte Jack tatsächlich eine Affäre mit Larissa gehabt? Belog er sie, ohne mit der Wimper zu zucken, oder war, wie er versicherte, wirklich »nichts passiert«? War es überhaupt wichtig, ob er mit ihr geschlafen hatte oder nicht, oder reichte es nicht schon, dass er die Nacht in der
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