Deadline - Toedliche Wahrheit
aufpassen, um alles zu verlieren. Ich weiß nicht, wie nah ich heute dran war, ihn zu verlieren. Er will es mir nicht sagen, und obwohl das vielleicht feige ist, werde ich ihn nicht fragen. Das ist eine Wahrheit, die ich nicht wissen will. Es gibt Wahrheiten, ohne die man besser dran ist.
Ich wüsste nicht, was ich ohne ihn tun sollte, wirklich nicht. Ich würde ihm nie sagen, dass er nicht ins Feld gehen soll – ich weiß, wie viel es ihm bedeutet – , aber eines Tages wird es ihn nicht mehr nur fast erwischen, und dann … ich weiß es nicht.
Ich weiß es einfach nicht.
Aus Postkarten von der Klagemauer , dem Nachlass von Georgia Mason, erstmals veröffentlicht am 24. Juni 2041.
Meine Eltern Yu und Jun Kwong sind tot.
Mein Bruder Dorian Kwong ist tot.
Meine Kollegin Dr. Barbara Tinney ist tot.
Die Berichte sind derzeit zwar noch lückenhaft, aber es ist absolut möglich, dass alles in ganz Florida und den umliegenden Gebieten tot ist.
Willkommen beim Ende der Welt!
Aus Auf die Kwong-Tour , dem Blog von Alaric Kwong, 24. Juni 2041.
23
»Ja, ich bleibe dran«, knurrte Mahir, während er weiter auf und ab ging. Ich bemerkte ihn kaum. Ich konnte den Blick nicht vom Fernseher abwenden, in dem weiterhin CNN s getreuer Bericht lief, über die schlimmste Katastrophe seit dem Sommer2014 , als die Toten zum ersten Mal aufgestanden waren, um die Lebenden zu verspeisen.
Maggie saß neben mir auf dem Sofa. Sie war sogar noch stärker auf die Nachrichten fixiert als ich.
Ihr Interesse an der Situation war etwas unmittelbarer als meines: Garcia Pharmazeutika hatte drei Fabriken und ein Forschungszentrum in den betroffenen Gebieten, und wenn sie auch nur für einen Moment wegschaute, verpasste sie vielleicht den Tod von jemandem, den sie ihr Leben lang gekannt hatte.
Alaric und Becks hatten sich nach einer Stunde in die Küche zurückgezogen. Alaric versuchte, seine Satellitenverbindung wieder in Gang zu bekommen, während Becks ihre Waffen putzte und die Schlösser an den Fenstern überprüfte – nur für den Fall. Ich konnte das nur gutheißen, auch wenn ich selbst nicht die Energie dazu aufbrachte, mich von der Stelle zu rühren.
Das reicht , sagte George unvermittelt. Der Fernseher zeigte einen Schulbus, in dem sich die Flüchtlinge drängten und der von lebenden Toten belagert wurde. Die Menschen im Innern schrien; ich sah ihre Gesichter durch die Scheiben. Solange sie schrien, waren sie noch Menschen. Aber zu retten waren sie nicht mehr. Ich hoffte, dass die Infektion sie schnell dahinraffen würde oder dass noch jemand genug Munition hatte, um …
Shaun! Georges Schrei riss mich aus meiner Benommenheit. Es ist erstaunlich, wie laut einem so etwas im eigenen Kopf vorkommen kann.
Ich drehte mich um und starrte die leere Luft zu meiner Linken finster an. Maggie, die selbst völlig weggetreten war, schien nichts davon zu bemerken. »Was ist?«, fragte ich.
George verschränkte die Arme und erwiderte meinen Blick unnachgiebig. »Es hilft niemandem, wenn du da rumsitzt wie ein Fernsehjunkie, weißt du. Du musst rausfinden, was zum Teufel los ist.«
»Und wie soll ich das deiner Meinung nach anstellen, hä?« Mit hilflos ausgebreiteten Armen deutete ich auf den Fernseher und auf Mahir, der noch immer auf und ab ging und knurrend in sein Telefon sprach. »Derzeit ist alles ziemlich scheiße, George, falls du das noch nicht bemerkt hast.«
»Oh, glaub mir, das habe ich bemerkt. Ich verstehe nur nicht, warum es mich kümmern sollte.« George packte mich am Arm und zog mich auf die Beine. »Komm mit! Du hast zu tun.« Mit einem nachdenklichen Blick fügte sie hinzu: »Und etwas anziehen solltest du dir auch. Himmel noch mal, Shaun, sitzt du hier etwa wirklich rum und siehst in Unterhosen fern? Das ist echt traurig.«
»Wenn es so viel zu tun gibt, warum kümmerst du dich dann nicht darum?«
»Weil ich tot bin, schon vergessen?« Sie ließ meine Handgelenke nicht los, sondern zog mich Richtung Küche. »Du musst Alaric fragen, ob Maggie unseren Wagen in die Garage gestellt hat, bevor alles abgeriegelt worden ist.« Als sie meinen verständnislosen Gesichtsausdruck bemerkte, seufzte sie. »Komm schon, Shaun, versuch mal etwa dreißig Sekunden lang bei der Sache zu bleiben, dann darfst du durchdrehen, in Ordnung? Wenn wir zum Wagen kommen, ohne dabei rauszumüssen, dann können wir unseren Notfall-Signalverstärker holen.«
Ich riss die Augen auf. »Kacke, du hast recht! Den haben wir immer noch, nicht
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