Deadlock
herumging?«
Ich verneinte. »Das gehört auch zu meinem Problem. Ich habe Champ vor seinem Tod zwei oder drei Monate lang nicht gesehen. Offen gesagt, was mir am meisten Sorge machte, war - nun, dass er sich vielleicht ins Wasser gestürzt haben könnte, aus Kummer darüber, weil er nicht mehr Eis laufen oder Hockey spielen konnte. Aber wenn ich mir überlege, was Sie und Pete Margolis mir erzählt haben, dann war er überhaupt nicht niedergedrückt, sondern hat sich im Gegenteil um alles gekümmert, was hier passierte. Trotzdem wüsste ich gern, ob sein Unfall von der >Bertha Krupnik< oder der >Lucella< aus beobachtet worden ist.« Sheridan schüttelte den Kopf. »Wir waren zwar gegenüber vertäut, aber die >Bertha Krupnik< lag zwischen uns und dem Ladekai. Ich glaube nicht, dass irgendjemand auf der >Lucella< etwas gesehen haben kann.« Als der Kellner kam, um unsere Bestellung entgegenzunehmen, erklärten wir ihm, dass wir die Speisekarte in Ruhe studieren wollten. Schon nach einer halben Minute stand er verlegen hüstelnd wieder am Tisch. »Mister Grafalk lässt fragen, ob Sie sich mit der Dame zu ihm und Mister Phillips setzen würden.« Sheridan und ich sahen uns verblüfft an. Ich hatte keinen der beiden hereinkommen sehen. Wir folgten dem Kellner zu einem Tisch in der gegenüberliegenden Ecke. Grafalk erhob sich und schüttelte Sheridan die Hand. »Vielen Dank, dass Sie Ihre Mahlzeit unterbrochen haben und zu uns herübergekommen sind, Mike.« Zu mir gewandt, fügte er hinzu: »Ich bin Niels Grafalk.«
»Sehr erfreut, Mister Grafalk. Ich bin V.I. Warshawski.«
Grafalk trug ein maßgeschneidertes Sakko aus weichem Tweed und ein weißes Hemd mit offenem Kragen. Selbst wenn ich nicht gewusst hätte, dass er zu den Reichen gehörte, so war doch unverkennbar, dass er gewohnt war, überall mit-zumischen. Das sonnengebleichte weiße Haar und das wettergegerbte Gesicht verrieten den Seemann.
»Phillips erwähnte, dass Sie Percy MacKelvy ein paar Fragen gestellt haben. Da ich zufällig hier bin, könnten Sie mir vielleicht erklären, weshalb Sie sich für die Grafalk-Linie interessieren.«
Ich nahm wieder Zuflucht zu meiner Story, die mir inzwischen reichlich fadenscheinig erschien. »Mister MacKelvy wollte erst Ihre Erlaubnis einholen, bevor er mir den Standort der >Bertha Krupnik< bekannt gab«, schloss ich. »Ach so.« Grafalk sah mich scharf an. »Phillips hat mir erzählt, dass Sie Privatdetektivin sind. Ich dachte: Vielleicht will sie ein bisschen in deiner Firma herumschnüffeln.«
»Wenn die Leute plötzlich einem Polizisten gegenüberstehen, rührt sich bei ihnen oft das Gewissen: Habe ich etwa ... ? Begegnen sie jedoch einem Privatdetektiv, so gehen sie in die Defensive: Schnüffeln Sie bloß nicht bei mir herum! Ich bin das gewöhnt«, meinte ich.
Grafalk warf den Kopf zurück und lachte dröhnend. Sheridan lächelte mir verschwörerisch zu, doch Phillips' Gesicht war so verkrampft wie zuvor. »Wenn Sie nach dem Essen ein Viertelstündchen Zeit haben, können Sie mich in mein Büro begleiten. Ich werde Percy anweisen, dass er Ihnen verrät, wo sich die >Bertha< gerade befindet.«
Der Kellner nahm unsere Bestellung auf. Ich hatte mich für eine mit Krabben gefüllte Artischocke entschieden, Grafalk und Phillips für gegrillte Forelle, und Sheridan bestellte ein Steak. »Wenn man neun Monate des Jahres auf dem Wasser verbringt, dann ist ein Rindersteak so was richtig Bodenständiges.«
»Jetzt sagen Sie mir mal, wie eine junge Frau wie Sie zum Detektivberuf kommt. Arbeiten Sie für eine Firma, oder sind Sie selbstständig?« »Seit etwa sechs Jahren arbeite ich auf eigene Rechnung. Vorher war ich Pflichtverteidigerin in Cook County. Aber dann hatte ich es satt, arme unschuldige Kerle nach Stateville wandern zu sehen, nur weil uns die Polizei bei den Ermittlungen nicht genügend unterstützte, um die wirklichen Schuldigen zu finden. Aber noch schlimmer war, dass ich mit ansehen musste, wie gerissene, verbrecherische Halunken ungeschoren davonkamen, weil sie sich Anwälte leisten konnten, die Meister im Aufspüren von Gesetzeslücken waren. Also dachte ich mir, dass ich vielleicht auf eigene Faust dagegen etwas unternehmen könnte. Möglicherweise ein Kampf gegen Windmühlenflügel.« Grafalk lächelte amüsiert in sein Glas Niersteiner Domtal. »Wer sind denn so Ihre Auftraggeber?«
»Ich habe ziemlich oft mit Wirtschaftsverbrechen zu tun -das ist sozusagen mein Spezialgebiet. Zwischendurch spüre
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