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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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wurde ich etwas abgelenkt, sodass mir entging, was für ein Gesicht Bledsoe auf diese Frage hin machte. »Ach, der Schaden selbst war verhältnismäßig unbedeutend«, erwiderte er. »Im ersten Moment war ich zwar wahnsinnig wütend, aber wenigstens ist das Schiff nicht beschädigt. Wäre ja auch schlimm gewesen, wenn wir die >Lucella< ausgerechnet in der Hochsaison hätten zusammenflicken müssen.« »Da haben Sie Recht«, meinte Grafalk zustimmend. »Aber Sie haben doch noch zwei kleinere Schiffe?« Er schenkte mir ein verbindliches Lächeln. »Wir haben dreiundsechzig Frachter, die wir sofort einsetzen können, damit es keine Verzögerungen wegen der Havarie der >Eriksson< gibt.«
    Was, zum Teufel, ging hier eigentlich vor? Phillips saß unbeweglich auf seinem Stuhl; er bemühte sich nicht einmal, so zu tun, als äße er. Sheridan schien verzweifelt nach Gesprächsstoff zu suchen, Grafalk war mit seiner Gemüsebeilage beschäftigt, und Bledsoe machte sich mit Genuss über seinen gegrillten Schwertfisch her.
    »Und obwohl mein Ingenieur dort unten eindeutig Mist gebaut hat, bin ich überzeugt, dass der Bursche lediglich den Kopf verloren hat, als ihm dieser Fehler unterlief. Niemand in der Mannschaft will absichtlich Schaden anrichten.« »Genau«, versetzte Bledsoe. »Ich hatte bereits den Verdacht, dass es zu Ihrer Strategie gehört, Ihre Hundert-Meter-Schiffe zu verschrotten.« Grafalk fiel die Gabel aus der Hand. Sogleich eilte ein Kellner herbei und legte diskret eine neue auf. »Wir haben an unserer Flotte nichts auszusetzen«, entgegnete Grafalk. »Und ich hoffe, dass Sie mit Ihren Problemen zu Rande kommen, Martin.«
    »Das hoffe ich auch«, sagte Bledsoe höflich und griff nach seinem Weinglas. »Es ist beunruhigend, wenn sich ein Firmenangehöriger als unzuverlässig erweist«, bohrte Grafalk weiter.
    »So weit würde ich nicht gehen«, gab Bledsoe zurück. »Allerdings habe ich im Gegensatz zu Ihnen auch nie die gesellschaftspolitischen Ansichten von Hobbes geteilt.«
    Grafalk lächelte. »Das müssen Sie mir näher erklären, Martin.« Er wandte sich wieder an mich. »In Martins Schule legte man großen Wert aufs Auswendiglernen. Ich als Gentleman hatte es da leichter: Von uns wurden keinerlei Kenntnisse erwartet.«
    Ich wollte gerade herausplatzen, da hörte ich Glas splittern. Wir starrten alle Bledsoe an. Er hatte sein Weinglas in der Hand zusammengedrückt. Blut tropfte herab. Ich sprang auf, um mich darum zu kümmern, dass ein Arzt geholt wurde. Was war hier eigentlich los? Bei diesem Kreuzen der Klingen war doch Grafalks letzte Bemerkung die harmloseste gewesen. Weshalb also diese übertriebene Reaktion?
    Ich sagte dem besorgten Geschäftsführer, er solle einen Krankenwagen rufen. Im ersten Schrecken vertraute er mir an, er hätte niemals zulassen dürfen, dass sich Mr Bledsoe an Mr Grafalks Tisch setzte. Aber Mr Bledsoe war nun einmal kein Gentleman, und man konnte nicht verhindern, dass er irgendwo hineinplatzte, wo er nicht hingehörte.
    An unserem Tisch herrschte stummes Entsetzen. Die Männer starrten hilflos auf die roten Flecke, die sich auf dem Tischtuch und auf Bledsoes Manschette ausbreiteten. Ich sagte, dass der Krankenwagen unterwegs sei und dass es vermutlich am besten wäre, in der Zwischenzeit so viele Glassplitter wie möglich aus der Handfläche zu entfernen. Vom Kellner ließ ich mir einen Behälter mit Eis bringen, und dann packte ich Bledsoes Hand mit Hilfe von Servietten in Eis. Bledsoe hatte sicher Schmerzen, aber umkippen würde er wahrscheinlich nicht. Er verfluchte lauthals seine eigene Blödheit.
    »Stimmt«, meinte ich. »Aber Ihr Gejammer hilft Ihnen jetzt auch nichts mehr.« Er zwang sich zu einem Lächeln und dankte mir für meine Hilfe.
    Ich sah kurz zu Grafalk hinüber. Er beobachtete uns mit einem sonderbaren Gesichtsausdruck. Weder Mitgefühl noch Genugtuung sprach daraus. Er blickte uns eher forschend an. Was wohl in ihm vorging?

6
    Ein imposantes Schiff
    Nachdem der Krankenwagen mit Bledsoe davongefahren war, widmeten wir uns wieder unserer Mahlzeit, alle etwas verlegen, als dürfe man nach diesem Vorfall nicht einfach weiteressen. Der Oberkellner säuberte - sichtlich erleichtert - Bled-soes Platz und servierte Grafalk auf Kosten des Hauses eine neue Flasche Niersteiner Domtal.
    »Ihr Boss ist hier nicht gerade beliebt«, sagte ich zu Sheridan. Der Chefingenieur zuckte die Achseln. »Der Geschäftsführer ist ein Snob. Martin ist ein Selfmademan, dadurch

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