Deadlock
es in seiner Vergangenheit einen dunklen Punkt gibt - denn auf so etwas spielen Sie doch offenbar an.«
»Es sind tatsächlich ganz alte Geschichten, über die ich niemals gesprochen habe - nicht einmal, als Martin meine Firma verließ und ich so sauer war, dass ich ihm gern eins ausgewischt hätte. Doch wenn es stimmt, dass ein Anschlag auf Sie verübt wurde, wenn es also um ein Verbrechen geht, dann sollten Sie sie kennen.«
Ich schwieg dazu. Draußen warf das Haus einen langen Schatten auf den Strand. »Martin ist in Cleveland aufgewachsen. Bledsoe ist der Mädchenname seiner Mutter. Seinen Vater hat er nie gekannt. Es könnte irgendein x-beliebiger versoffener Matrose aus dem Hafen von Cleveland gewesen sein.« »Das ist kein Verbrechen, Mister Grafalk. Außerdem ist es nicht seine Schuld.« »Richtig. Ich wollte Ihnen nur einen Eindruck von seinen Familienverhältnissen vermitteln. Im Alter von fünfzehn setzte er sich ab und ließ sich auf den Frachtern der Großen Seen anheuern. Natürlich musste er sich dazu etwas älter machen. Damals brauchte man dafür noch keine spezielle Ausbildung, und die Geschäfte gingen viel besser - die Leute mussten nicht in den Gewerkschaftsbüros herumhängen und auf Arbeit warten. Jeder war recht, wenn er nur Taue einholen und einen Zentner heben konnte, und Martin war für sein Alter sehr kräftig.« Er unterbrach sich, um einen Schluck zu trinken. »Er war ein cleverer Bursche und fiel einem meiner Schiffsoffiziere auf. Mit neunzehn bekam er eine Stelle in unserem Büro in Toledo. Er hatte einfach zu viel Verstand. Es wäre ewig schade gewesen, ihn nur Knochenarbeit machen zu lassen, die auch jeder dämliche Polacke tun konnte.«
»Verstehe«, murmelte ich. »Vielleicht hätten Sie auch für mich Verwendung auf einem Frachter, falls mich die Detektivarbeit mal anöden sollte.«
Er starrte mich einen Augenblick an. »Ach so, Warshawski. Natürlich. Aber Sie brauchen nicht Ihre Krallen zu zeigen - es lohnt sich nicht. Die Häfen sind voll von bärenstarken Polen, doch an der Gehirnmasse fehlt's.«
Ich musste an Champs Vettern denken und verzichtete darauf, über diesen Punkt zu diskutieren.
»Um es kurz zu machen: Martin bewegte sich in einer Umgebung, in die er zwar mit seinem Verstand hineinpasste, nicht aber seiner Herkunft nach. Seine Schulbildung war mangelhaft, und mit Begriffen wie Ethik und Moral wusste er nicht viel anzufangen. Zu viel Geld lief durch seine Hände. Er zweigte etwas davon für sich ab. Ich hätte ihm gern eine Chance gegeben. Schließlich hatte ich ihn entdeckt und gefördert, und ich war damals selbst erst dreißig. Aber mein Vater war nicht umzustimmen, und Martin wanderte für zwei Jahre ins Gefängnis. Einen Monat vor seiner Entlassung starb mein Vater, und ich stellte Martin sofort wieder ein. Meines Wissens hat er sich nie wieder etwas zu Schulden kommen lassen. Doch falls es zwischen Pole Star und Eudora oder nur bei der Eudora finanzielle Unstimmigkeiten gibt, so sollten Sie wenigstens über Martins Vergangenheit informiert sein. Ich verlasse mich ganz auf Ihre Diskretion, denn ich möchte nicht, dass Argus oder Clayton etwas davon erfahren, solange der Verdacht nicht begründet ist.«
Ich leerte mein Glas. »Darauf haben Sie also neulich beim Mittagessen angespielt. Bledsoe hat sich im Gefängnis weitergebildet, und Sie drohten damit, es publik zu machen.«
»Ich dachte nicht, dass Sie das mitbekommen haben.«
»Selbst einem schwachsinnigen Polacken musste das auffallen ... Letzte Woche haben Sie ihm gedroht, heute wollen Sie ihn gewissermaßen schützen. Was ist das für ein Spielchen?«
Grafalk ärgerte sich, das war ihm anzusehen, aber er unterdrückte seine Gefühle. »Martin und ich haben - ein stillschweigendes Abkommen. Er rührt nicht an meine Schifffahrtslinie, ich rühre nicht an seine unrühmliche Vergangenheit. Neulich beim Essen hat er sich über die Grafalk-Linie mokiert, und ich habe ihn gewarnt.«
»Was geht nun Ihrer Ansicht nach bei der Eudora vor?«, fragte ich.
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, auf Grund meiner Ermittlungen unten am Hafen sind Sie zu einer Reihe von übereilten Schlussfolgerungen gelangt. Sie tippen auf finanzielle Probleme, und darüber sind Sie so erschrocken, dass Sie gleich mit einem wohl gehüteten Geheimnis über Bledsoe herausrücken. Nicht einmal seine Bordoffiziere wissen Bescheid - oder sie sind zu loyal, um es preiszugeben. Anscheinend sind Sie der Meinung, dass irgendetwas
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