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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Unterwäsche eingepackt, denn ich beabsichtigte nicht, länger als ein oder zwei Tage unterwegs zu sein. Nicht einmal eine Handtasche durfte mit; meine Brieftasche schob ich einfach in die Hosentasche. Nach einstündiger Zwischenlandung auf dem modernen und freundlichen Flughafen von Toronto bestieg ich die Air-Canada-Mühle für Provinznester. Auf dem Weg nach Thunder Bay landeten wir fünf Mal auf winzigen Rollbahnen, die unvermittelt im offenen Land vor uns auftauchten. Beim Aus-und Einsteigen begrüßten sich die Leute und tauschten kurz die letzten Neuigkeiten aus, was mich lebhaft an eine Busfahrt durch das ländliche Louisiana in den Tagen der Befreiungsmärsche erinnerte. Damals hatte ich genauso viele versteckte Blicke auf mich gezogen. Die Nacht war klar und kalt, als wir verbliebenen fünfzehn Passagiere nach unserer Landung in Thunder Bay die Gangway hinunterkletterten. Wir befanden uns rund tausend Kilometer nördlich von Chicago, und hier war der Winter noch nicht zu Ende. Meine Mitpassagiere zogen sich die Wintermäntel über. Ich fror, nur in Baumwollbluse und Cordjacke, und bereute es bitter, den Pullover in dem Gepäck gelassen zu haben, das ein stämmiger junger Bursche hinter uns herschleppte. Ich griff meine Segeltuchtasche heraus und machte mich auf die Suche nach einem Quartier. Thunder Bay hatte zum Glück ein Holiday Inn; ich mietete mich für zwei Nächte ein.
    Sie versprachen mir, einen Wagen vorbeizuschicken. Als er nach geschlagenen fünfundvierzig Minuten eintraf, entpuppte er sich als ein heruntergekommener Kombi. Beinahe hätte ich ihn verpasst; denn erst als er wieder davonfuhr, erkannte ich die Aufschrift HOLIDAY INN THUNDER BAY auf der Seite. Mit wildem Geschrei sprintete ich hinter ihm her - dagegen war der riesige Chicagoer Flughafen O'Hare mit seinem unpersönlichen, aber hervorragenden Service und dem Heer übellauniger, ungehobelter Taxifahrer ein Paradies. Endlich stoppte der Wagen. Der Fahrer, ein behäbiger Mann in schmuddeligem weißem Pullover, öffnete die Wagentür; kräftiger Bierdunst schlug mir entgegen. Die fünfundvierzig Minuten hatte er wohl in einer Bar zugebracht. Mit geschlossenen Augen, die Hand am Haltegriff und tief in den Sitz zurückgelehnt, ließ ich die Fahrt über mich ergehen. Schlimmer als mit meiner nüchternen Lotty konnte die Fahrt auch nicht werden - aber mein Unfall saß mir noch in den Knochen.
    Es war fast halb zwölf, als wir im Hotel ankamen; zu Fuß war kein offenes Speiselokal mehr zu erreichen. Das Hotelrestaurant war geschlossen, ebenso ein kleines Chinarestaurant gegenüber. Ich begnügte mich mit einem Apfel aus einem Obstkorb in der Hotelhalle und ging hungrig zu Bett. Ich hatte Schmerzen in der Schulter und war erschöpft von dem langen Flug.
    Nach tiefem Schlaf wachte ich um neun Uhr auf. Meine Schulter war viel beweglicher geworden, das Ankleiden ging wieder leichter. Lediglich ein kleines Stechen war zu verspüren, als ich den schweren Pullover überzog. Vor dem Frühstück setzte ich meine S & W zusammen und lud sie durch. Es war zwar nicht zu erwarten, dass Bledsoe vor versammelter Mannschaft auf mich losging, aber sicher ist sicher ...
    Während meiner Rekonvaleszenz hatte ich wenig Appetit gehabt und deshalb fünf bis sechs Pfund abgenommen. An diesem Morgen ging es mir besser, und ich bestellte mir ein großes Frühstück - mit Waffeln, heißen Würstchen, Erdbeeren und Kaffee. Während mir die Kellnerin Kaffee nachschenkte, fragte ich sie nach einer Autovermietung. In der Stadt gäbe es eine Avis-Filiale, aber auch einer ihrer Söhne habe ein paar alte Wagen zu vermieten - falls ich nichts ganz Schickes wolle. Nein, meinte ich, aber er müsse eine Automatik haben. Ein Fünfundsiebziger Ford Fairmont wurde vorgefahren, ziemlich alt, aber sauber. Ich zahlte dreißig Dollar an und mietete ihn bis zum nächsten Morgen. Das Holiday Inn befand sich in der Stadtmitte, schräg gegenüber dem modernen Rathaus und der größten presbyterianischen Kirche, die ich je gesehen hatte. Doch gleich hinter dem Hotel waren zahllose heruntergekommene Läden und Wohngebäude zu vermieten. Und in der Nähe des Hafenviertels wurden die Geschäfte mehr und mehr durch Bars und Animierlokale ersetzt. Ob die Seeleute wirklich so primitive Gelüste haben, wie das Angebot in den Hafenstädten vermuten lässt, oder gehen sie in diese Spelunken nur, weil es nichts Besseres gibt?
    Die Suche nach der »Lucella« erwies sich problematischer als erwartet.

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