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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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das Vorderteil noch weiter auf. Und dann flog Captain Jack, während er mit aufgerissenen Augen Charley irgendetwas zubrüllte, auf Bill, der gerade versuchte, seine Flasche zu verkorken. Da vorne kein Gewicht mehr war, stand das Kanu nun senkrecht im Wasser. Charley sah, wie die Springfield unterging, mit ihr das Seil, und dann war auch er im Wasser. Er kämpfte in alle Richtungen gleichzeitig und sank mit jeder Bewegung tiefer. Wo er war, konnte er nicht sagen. Irgendetwas zog ihn hinunter, auf eine Art und Weise, der er nichts entgegensetzen konnte.
    Er kämpfte und verlor, und dann beruhigte er sich. Die Luft entwich aus seinen Lungen, und dann füllten sie sich wie von selbst mit Wasser. Er beruhigte sich und öffnete die Augen – warum waren sie geschlossen gewesen? Dann sah er Licht, einen Heiligenschein. Als er genauer hinsah, kam ein dunkler Engel durch das Licht auf ihn zu. Der Engel hatte das Gesicht des Chinesen im Brennofen. Er wollte ihn abwehren, aber seine Hände waren im Wasser schwer geworden und gegen Engel waren sie sowieso machtlos.
    Der Engel schob seine Arme beiseite, nahm seinen Kopf und zog ihn fort. Ich habe Dich geliebt, o Herr, dachte er. Das war fürs Protokoll. Nun bewegte er sich, aber er konnte nicht sagen, wohin. Er beruhigte sich wieder und wartete, da er zu schwer war, um sich selbst zu helfen, ab. Das Licht wurde heller und heller – er hatte gedacht, es würde viel länger dauern – und zerstob dann warm und rein über seinem Gesicht. Und er wusste, seine Seele war gerettet.
    Bill packte ihn an den Armen und zog ihn aus dem Wasser. Charley begann zu husten. Bill ließ ihn auf dem Boden liegen und legte sich neben ihn.
    »Charley?« sagte er. »Hörst du mich?«
    Ein Krampf erfasste seinen Körper – es fühlte sich an, als würde er pinkeln –, und Charley spürte, wie Wasser aus seiner Brust kam. Warmes Wasser. Wieder und immer wieder. Und zwischendurch hörte er Bills Stimme, die ihn fragte, ob er ihn hören konnte.
    Selbst als Charley in der Lage war zu antworten, tat er es nicht. Er hatte gerade nichts zu sagen. Die Krämpfe schwächten ihn, aber nach jedem Krampf gewann er mehr zurück, als er verloren hatte. Es war, als würde man geheilt. Er öffnete die Augen, und die Sonne fiel wie Spinnenbeine durch die Nadeln der Kiefer, unter die Bill ihn gezogen hatte. Er bewegte die Hand, um seine Augen zu beschatten.
    »Charley?« Bill lag noch immer neben ihm auf dem Boden, bleich, nass und krank. Charley setzte sich auf und kotzte Wasser.
    Captain Jack saß drei Meter entfernt an einen anderen Baum gelehnt. »Sie hätten das Seil durchschneiden sollen«, sagte er, »dann hätten wir jetzt noch das Boot und die Waffen.«
    Charley lehnte sich zurück und fing an zu zittern. Sein ganzer Körper fühlte sich eiskalt an, und er schämte sich, gerettet worden zu sein. »Ich habe noch nie einen Elch so schnell untergehen sehen«, sagte Captain Jack. »Mit ihm muss etwas nicht gestimmt haben.«
    »Ich hoffe, ihm wird klar, wie enttäuscht wir von ihm sind«, meinte Bill. Dann stand er auf und ging in die Büsche, wo er über eine halbe Stunde blieb. Captain Jack faselte weiter über das Seil, das Charley hätte durchschneiden sollen, aber Charley sagte kein Wort. Was geschehen war, hatte mit Engeln zu tun und dem Chinesen im Brennofen, und er war verwirrt. Er hatte keine Lust, mit jemandem zu reden.
    Vor allem nicht mit Bill. Er erkannte, wie unvollkommen er war. Einerseits ein perfekter Mann. Er war tapfer, stark, loyal, gut aussehend, und er konnte schwimmen.
    Und andererseits steckte in seinem Innern so viel Gefühl wie bei einem Habicht.
    Zwischen ihnen stand nun etwas, das vorher nicht da gewesen war, und Charley konnte sich nicht vorstellen, dass es jemals wieder so werden würde wie früher.
    Bill kam aus den Büschen, mit Blut am Mund. Charley verstand, dass die Krankheit Bill alle Kraft genommen hatte und dass er selbst keine mehr in sich hatte, um sie ihm zurückzugeben.
    Charley fand, sie taugten beide nicht besonders viel, wenn sie schwach waren.
    Boone hatte von Lurline Monti Verdi über den Katzenmann gehört. Sie erzählte ihm die Geschichte, um ihn aufzuheitern. Der kleine Waschlappen, der aussah wie eine Ratte, sich selbst einen geborenen Katzenmann nannte und davon träumte, Phatty Thompson in Stücke zu schneiden.
    Sie dachte, er würde darüber lachen. Aber er setzte sich im Bett auf und begann, sich seine Unterwäsche anzuziehen. Es war neun Uhr morgens,

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