Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Steig-in-den-Wagen-und-fahr-los-Stil vergleiche, brauche ich nicht lange zu überlegen, was gesünder ist. Auf den ersten Blick hatte ich als Amerikanerin den Eindruck, dass das Leben in deutschen Großstädten sehr unbequem und der deutsche Lebensstil strapaziös ist. Aber unter gesundheitlichen Aspekten betrachtet sind die Deutschen gegenüber den Amerikanern klar im Vorteil. Würden Letztere öfter zu Fuß gehen und mehr schleppen, hätten amerikanische Kleidergrößen vielleicht bald wieder ein Normalmaß. Und das alles zum Nulltarif, ganz ohne komplizierte Magenverkleinerungs-Operationen, Mitgliedsgebühren für ein Fitnessstudio und teure Sportausrüstung. Besser geht es doch gar nicht.
Leider kann man aber nicht alles zu Fuß erledigen. Irgendwann sah ich mich daher gezwungen, eine deutsche Fahrerlaubnis zu beantragen. In den ersten zwei Jahren in Deutschland besaß ich kein eigenes Auto, hatte jedoch einen gültigen internationalen Führerschein. Dafür musste ich lediglich ein Formular ausfüllen und umgerechnet fünfzehn US-Dollar zahlen. Ein Kinderspiel.
Eine Bekannte von Peter und mir, die bei der amerikanischen Botschaft arbeitet, gab mir jedoch eines Tages den Tipp, möglichst schnell einen deutschen Führerschein zu beantragen. Anscheinend war eine Gesetzesänderung bezüglich der Formalitäten geplant. Aber wenn ich den Antrag bald stellen würde, könnte mein amerikanischer Führerschein ge-gen eine geringe Gebühr einfach umgeschrieben werden, informierte sie mich. So weit, so gut. Zu jener Zeit hatte ich jedoch wieder angefangen zu arbeiten und war sehr beschäftigt. Ich machte mir keine großen Gedanken über die drohenden Folgen und schob die Umschreibung erst einmal auf die lange Bank.
Als ich dann irgendwann bei der amerikanischen Botschaft anrief, um zu fragen, für wann genau die Gesetzesänderung geplant war, teilte mir der Mann am anderen Ende der Leitung mit, dass ich falsch informiert sei: Alles bliebe wie gehabt, und ich könne meinen amerikanischen Führerschein jederzeit umschreiben lassen. Kein Problem, kein Kopfzerbrechen. Gut. Oder besser gesagt, fast gut. Denn ich lernte jetzt meine erste Lektion im Umgang mit Behörden: Glaube niemals uneingeschränkt, was jemand am Telefon erzählt. Es kann nämlich sein, dass er selbst nicht richtig informiert ist oder einfach keine Informationen herausgeben darf. Oder er hat einfach einen schlechten Tag. Wie auch immer, mir machte er jedenfalls das Leben zur Hölle.
Denn zu meinem großen Pech trat die Gesetzesänderung doch in Kraft. Als ich nämlich einige Monate später meinenFührerschein aus Minnesota umschreiben lassen wollte, wurde er vom deutschen Straßenverkehrsamt nicht mehr anerkannt. Dass ich bereits seit vierzehn Jahren unfallfrei fuhr – davon fast zwei Jahre auf deutschen Straßen und sogar Autobahnen – interessierte nicht die Bohne. Jetzt gab es nur noch eine Möglichkeit, einen deutschen Führerschein zu bekommen: Ich musste einen Sehtest machen, Fahrstunden nehmen und sowohl eine theoretische als auch eine praktische Prüfung ablegen. Außerdem durfte ich wieder mal einen neuen deutschen Fachausdruck lernen: Lebensrettende Sofortmaßnahmen am Unfallort .
Ich ärgerte mich nicht nur über mich selbst, weil ich den guten Rat meiner Bekannten nicht rechtzeitig befolgt hatte, sondern auch über die Behörden und diesen bürokratischen Irrsinn. Außerdem hatte ich Angst vor einer weiteren Fahrprüfung, da mir meine erste – mit sechzehn Jahren in Hastings, Minnesota – noch lebhaft in Erinnerung war, weil ich so kläglich versagt hatte.
Damals wollte ich die Prüfung in unserem Familienkombi ablegen, einem dunkelgrünen Oldsmobile Vista Cruiser. Mit Holzapplikationen – und zwar außen, nicht innen. Dieser Wagen hat solch gigantische Ausmaße, dass er in Neuseeland als Leichenwagen eingesetzt wird. Als wir bei der Fahrschule eintrafen, führte der Prüfer zunächst einen Sicherheitscheck an unserem Wagen durch. Dabei stellte er fest, dass einer der Blinker defekt war, ließ mich aber trotzdem zur Prüfung zu. Er sagte mir, ich solle einfach den Arm aus dem Fenster stre-cken und damit die Richtungswechsel anzeigen. Als hätte ich das für den Fall der Fälle seit Wochen geübt. Schönen Dank auch! Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, wie die Prüfung endete …
Obwohl mich wegen der Führerscheinprüfung bereits Albträume plagten, konzentrierte ich meine gesamte Energie darauf, meine Angst zu überwinden. Doch dann
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