Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Probleme zu lösen! Beispielsweise wie ich von A nach B komme.
5 FAHRVERGNÜGEN UND
FÜHRERSCHEINHÖLLE
Wenn es ein kompliziertes deutsches Wort gibt, das so gut wie jeder Amerikaner kennt, dann ist es nicht Bundeskanzleramt oder Wirtschaftswunder . Nein, es ist Fahrvergnügen . Nicht dass wir es alle richtig aussprechen können, geschweige denn verstehen. Aber als Volkswagen es 1989 zum Slogan einer Werbekampagne machte, eroberte das Wort ein ganzes Land in Autobahngeschwindigkeit und wurde the sexy word für alle Autofahrer. Auch wenn Fahrvergnügen viel verspricht, war es für mich am Anfang alles andere als ein Spaß, in Deutschland Auto zu fahren. Nach den ersten Eindrücken von Autos, die mit Tempo 220 auf der Autobahn an mir vorbeirauschten, und Fast-Begegnungen der Dritten Art mit anderen Verkehrsteilnehmern in winkligen, engen Gassen von Dörfern und Innenstädten, traute ich mich erst mal nur zu Fuß vor die Tür.
Dabei ist Fortbewegung das A und O während der Eingewöhnungsphase in einem fremden Land. Man lernt schließlich nicht viel über seine neue Heimat, wenn man den ganzen Tag faul auf dem Sofa sitzt. In meiner Anfangszeit in Deutschland wohnten Peter und ich mitten in der Kölner City. Wie in New York hatte ich auch dort alles direkt vor der Haustür, zu der ich lediglich ein paar Stockwerke überwinden musste. Es gab alles, was der Mensch zum Leben braucht – bis auf H&H Bagels, Zabar’s Deli und die New York Times .
Für meine täglichen Fußmärsche brauchte ich lediglich gute Schuhe, einen Regenschirm und eine Sonnenbrille. Mit dieser Ausrüstung stellte ich mich auf das hiesige Wetterein. Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass es in der einen Minute noch regnet und in der nächsten dann die Sonne scheint. Die schicken italienischen Lederschuhe ließ ich zu Hause im Schrank stehen, da das in Deutschland so beliebte Kopfsteinpflaster und Pumps meiner Meinung nach einfach nicht zusammenpassen und ich immer mit den Absätzen zwischen den Steinen hängen blieb.
Okay, einige eher modebewusste – man könnte auch sagen: nicht allzu praktische veranlagte – Frauen gehen in Stöckelschuhen durch die Altstadt oder steigen damit sogar aufs Rad. Die sollten mal die Amerikanerinnen sehen, die, wenn auch nur auf dem Weg zur Arbeit, zum Kostüm Turnschuhe tragen!
Ich gehörte jedenfalls nicht zur Stöckelschuh-Fraktion und trug immer Schuhe mit dicken Gummisohlen, damit ich, ohne orthopädische Schäden zu erleiden, auch mal einen halben Tag durch die Gegend laufen konnte. Für Wege, die zu Fuß zu weit waren, nahm ich halt die Straßenbahn, obwohl ich nie ganz sicher war, ob ich wirklich den richtigen Fahrschein gelöst hatte.
Wenn Amerikaner Deutschland besuchen, staunen sie mit großem Amüsement, aber auch Respekt über die vielen Menschen, die hier mit dem Rad unterwegs sind. Und zwar nicht, um sich im entsprechenden Outfit mit Radlerhosen und Velcro-Schuhen sportlich zu betätigen, sondern um sich ganz normal fortzubewegen.
Als mein Schwager Patrick uns einmal besuchte, blieb er bei einem Spaziergang plötzlich wie angewurzelt stehen und sah mich verwundert an.
»Carol, hast du gerade den Mann da gesehen?«
»Ja. Und?«
»Er saß auf seinem Rad und hatte einen Anzug an, mit Krawatte, schwarzen Schuhen und einem Attaché-Koffer auf dem Gepäckträger. Fährt der etwa so zur Arbeit?«
»Klar«, sagte ich, »es ist ganz normal hier, dass Menschen so ins Büro fahren.«
Patrick war beeindruckt. Er hätte sich wie Millionen anderer Amerikaner gar nicht vorstellen können, anders als im Auto zur Arbeit zu fahren.
Das Rad ist aber auch wegen des – besonders im Gegensatz zu Amerika – gut ausgebauten Radwegenetzes ein beliebtes Fortbewegungsmittel. Ich sehe oft Berufstätige mit dem Rad zur Arbeit fahren oder Rentner zum Supermarkt und anschließend schwer bepackt wieder nach Hause. Auch jungen Müttern mit ihren Babys auf dem Rad begegne ich oft. Ein Ehepaar in unserer Nachbarschaft, beide fast achtzig, schwingt sich beispielsweise fast jeden Tag aufs Rad – wenn die beiden nicht gerade wandern gehen. Wirklich bewundernswert, aber nichts Ungewöhnliches hier in Deutschland. Ich finde das im Grunde genommen sehr gut und gesund, auch wenn es manchmal beschwerlich und ungemütlich sein kann. Hinzu kommt, dass die Umwelt geschont wird. Ein weiterer Pluspunkt.
Vielleicht klingt das alles langweilig und belanglos, aber wenn ich diesen Lebensstil mit dem amerikanischen
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