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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Kloeppel
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am Stadtrand von Frankfurt würde jeden Hobbygärtner vor Neid erblassen lassen: Jedes Grab war schöner hergerichtet als das nächste, geschmückt mit Blumensträußen und kunstvollen Gebinden, mit mehrmals oder immer blühenden Gewächsen, mit Efeu und was man sich sonst noch alles vorstellen kann. Solch ein Grabschmuck ist in den USA nur an wenigen Tagen üblich, und dann wird er auch schnell wieder weggeräumt.
    Mein Schwiegervater zeigte uns die unauffällig in die Natur integrierten Vorrichtungen, in denen Gießkannen gelagert werden; über das gesamte Friedhofsgelände verteilt gab es mehrere Wasseranschlüsse und Gießkannendepots, um den Besuchern die Grabpflege zu erleichtern. Er machte uns auch auf ein verwahrlostes Grab aufmerksam, an dessen Grabstein eine gelbe Notiz befestigt war.
    »Was steht da drauf?«, wollte ich wissen.
    Mein Schwiegervater erklärte: »Das ist eine Mitteilung für die Pächter, dass das Grab nach Ablauf einer Frist eingeebnet und wieder vergeben wird, falls sich niemand mehr darum kümmert.«
    Dies ist wohl eine ganz besondere Form von Recycling …

8  ORDNUNG BITTE!
    Einer der ersten Sätze, die ich in Deutschland gelernt habe, war: »Ist alles in Ordnung?« Anfangs dachte ich, dass diese Frage in etwa mit dem englischen » Is everything O. K.? « vergleichbar ist. Aber ich habe gelernt, dass viel mehr dahintersteckt als die Erkundigung, ob es einem gut geht. Ich weiß, dass die Deutschen viel Wert auf diese Frage legen, weil ich sie mindestens ein Dutzend Mal am Tag höre.
    Aber das ist erst der Anfang der deutschen Ordnungsliebe. Es hat mich überrascht und mir fast ein bisschen Angst gemacht, als ich herausfand, dass es sogar ein Ordnungsamt gibt, das die Einhaltung der Ordnung überwacht. Hilfe!
    Als Neuling in diesem Land kann man ziemlich viel falsch machen. Zum Beispiel, wenn man zu viel Lärm zwischen dreizehn und fünfzehn Uhr macht, den Rasen an einem Sonntag mäht oder sich in der Öffentlichkeit unmoralisch benimmt – was auch immer das heißen mag.
    Beobachtet dieses Ordnungsamt jede meiner möglicherweise falschen Bewegungen? Woran erkenne ich diese Leute? Tragen sie eine Uniform wie die Polizei? Und rufen meine Nachbarn dort tatsächlich an, wenn sie sich von meinem Rasenmäher oder anderem Lärm gestört fühlen?
    Oh ja, das passiert tatsächlich. Amerikanische Freunde von mir bekamen an einem Sonntagnachmittag einmal Besuch vom Ordnungsamt, weil – und jetzt kommt’s! – der Nachbar sich vom Lärm ihrer im Garten spielenden Kinder belästigt fühlte.
    Sollte in Amerika jemand bei der Polizei anrufen und sich über Lärm von kleinen Kindern beschweren, dann wäre die Antwort mit Sicherheit: »Ma’am, Kinder machen nun mal Krach, wenn sie spielen. Das ist normal.«
    Doch wir sind in Deutschland, und manchen Menschen hier scheint Ordnung alles zu bedeuten. Auffällig ist, dass vor allem die ältere Generation ein großes Bedürfnis danach hat. Zumindest entspricht das meiner persönlichen Beobachtung.
    Ärgerlich ist nur, dass ich merke, wie mein eigenes Ordnungsbedürfnis von Jahr zu Jahr wächst. Mit Chaos und Unordnung, Dreck und unvollendeten Projekten komme ich nur schlecht zurecht. Vielleicht war das ja schon immer so, aber erst jetzt ist es mir bewusst geworden. Manchmal ist es eben schwer, sich seine Macken einzugestehen.
    Allerdings gibt es Menschen, die viel schlimmer sind als ich. Neulich wies mich im Supermarkt ein betagter Herr darauf hin, dass ich mich mit meinem Einkaufswagen auf der falschen Seite des Ganges befand.
    »Junge Frau, Sie stehen falsch hier.«
    »Wie bitte?«, erwiderte ich leicht verwirrt, weil ich dachte, ich hätte ihn vielleicht falsch verstanden.
    »Sie müssen sich mit Ihrem Einkaufswagen rechts halten«, klärte er mich weiter auf.
    »Ich dachte, das gilt nur für die Autobahn«, erwiderte ich.
    »Wir sind hier in Deutschland«, kam es zurück, »und in Deutschland gilt der Rechtsverkehr. Überall.«
    Darauf fiel mir nichts mehr ein, und ich schob meinen Wagen davon. Auf der rechten Seite. Möglichst weit weg von diesem Herrn. Wahrscheinlich hatte er früher mal beim Ordnungsamt gearbeitet.
    Genauso wie die alten Herren im Tennisclub, in dem ich früher regelmäßig spielte. Die hatten die Angewohnheit, die anderen Spieler darüber aufzuklären, wie man die Sandplätzeordentlich bewässert und in welchem Winkel man den Wasserschlauch zu halten hat. Einer dieser Besserwisser fühlte sich eines Morgens in seinem

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