Deathbook (German Edition)
zu.
«Warten Sie, ich helfe Ihnen.»
Als sie seinen Arm packte, drehte er sich plötzlich zu ihr um.
Julia zuckte zurück.
Etwas sprühte feucht an ihrem Gesicht vorbei. Ein paar Tropfen landeten auf ihrer rechten Wange und im Auge.
Sie taumelte zurück, bekam plötzlich schlecht Luft und konnte auf dem rechten Auge kam noch etwas sehen. Trotzdem griff sie instinktiv nach dem kleinen Messer in der Gesäßtasche ihrer Jeans.
Der Mann kam auf sie zu. Seine Unsicherheit war wie weggeblasen.
Julia wollte laufen, aber ihr Hals war so eng, sie konnte kaum atmen. Was zum Teufel hatte der Typ ihr ins Gesicht gesprüht?
«Hau ab», keuchte sie und brachte das Messer nach vorn.
Der Typ blieb stehen. Julia taumelte zwei Schritte zurück. Sie spürte den Zaun in ihrem Rücken. Ohne ihn wäre sie gestürzt.
«Lass mich in Ruhe, oder ich stech dich ab. Ich schwör’s dir.»
Er blieb tatsächlich stehen, und es sah so aus, als würde er den Kopf schief legen.
Was war das da im Schatten der Kapuze?
Das war doch kein Gesicht!
Julia spürte ihre Beine unter sich nachgeben. Jetzt klammerte sie sich an den Zaun, knickte aber ein und sackte auf die Knie.
Das Messer entglitt ihr.
Der Mann kam auf sie zu, hob die Hand und sprühte sie abermals an. Diesmal direkt ins Gesicht.
Kalter, klebriger Nebel senkte sich über sie.
Das Letzte, was Julia sah, war ein Plastikgesicht unter der Kapuze.
I ch bin noch nicht ganz dahintergestiegen, aber ich glaube, es läuft folgendermaßen ab.»
Jan Krutisch stand tief hinabgebeugt vor einem seiner vier Computer. In der halben Stunde, seit ich bei ihm war, hatte er sich nicht eine Sekunde hingesetzt. Ich kannte Jan als ruhigen, ausgeglichenen Typ, aber heute schien er mächtig unter Strom zu stehen.
«Aber erklär es bitte so, dass auch ich es verstehen kann», bat ich ihn.
«Okay. Als du meine Spionagesoftware auf dem Rechner dieses Thaumann installiert hast, hat das Programm automatisch ein Backup der Festplatte erstellt und an mich geschickt. Danach löscht sich das Programm selbst. Auf dem ausgespähten Rechner bleiben keine Spuren zurück. Das hat auch funktioniert. Aber auf Thaumanns Rechner befand sich bereits eine andere Spionagesoftware, und die habe ich mir eingefangen, als ich das Backup hier geöffnet habe.»
«Und bevor du es gemerkt hast, hast du den ganzen Kram an meinen Rechner geschickt?
«Jep, so sieht’s aus. Aber du hast Glück. Du hast das Backup ja noch nicht geöffnet. Den Virus hast du dir zwar eingefangen, aber er ist noch nicht aktiviert.»
«Wie sieht es auf deinem Rechner aus?»
Jan runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Eine Geste der Verzweiflung. Er litt beinahe körperlich.
«Nicht so gut. Ehrlich, ich hab so etwas nie zuvor gesehen. Dieses Programm ist genial. Wer auch immer es geschrieben hat, ich muss den Kerl kennenlernen.»
Wünsch dir das nicht, dachte ich und spürte wieder den schmerzhaften Griff an meinem Oberarm.
«Mein Spionageprogramm, das ich übrigens selbst geschrieben habe, ist schon wirklich gut. Mir ist noch niemand auf die Spur gekommen. Aber dieses hier ist um Längen besser. Ich bin richtig neidisch. Es ist auf dem infizierten Rechner nahezu unsichtbar, liest aber alles mit. Du merkst es nicht. Hin und wieder eine kleine Verzögerung im Ablauf, aber nicht mehr als eine oder zwei Sekunden. Stell es dir so vor: Es gibt irgendwo auf der Welt, wahrscheinlich auf einem russischen Server, deinen Rechner noch einmal. Alles, was du hier machst, geschieht auch dort. Und unser Freund, der das Programm geschrieben oder gekauft hat, liest mit.»
«Man kann solche Programme kaufen?»
Jan sah mich an, als hätte er ein ahnungsloses Kleinkind vor sich.
«Natürlich nicht beim Media Markt, aber für Bares bekommst du auf dem russischen Markt alles. Die schreiben dir jedes Programm, das du haben willst, und bieten dir gleich noch ein Server-Abo an. Auf den russischen Servern kannst du dich verstecken und tun und lassen, was du willst. Kommt dir jemand auf die Schliche, wechselst du einfach auf einen Spiegel und fängst von vorn an.»
«Häh? Spiegel?»
«Pass auf: Nehmen wir mal an, jemand betreibt eine illegale Website. Die Behörden kommen ihm auf die Schliche und sperren diese Seite. Dann wäre er theoretisch aus dem Geschäft. Nicht aber wenn du weltweit in Ländern mit liberaleren Gesetzen Spiegel deiner Website auf verschiedenen Servern angelegt hast. Dorthin wechselst du einfach. So wie du mit einem Laden wechseln
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