Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
Obhut nehmen.«
Sie lachte leise, wobei erneut ein stechender Schmerz durch ihre Rippen zog. Er hatte recht: Sie hatte bisher jeden streunenden Hund, den sie fand, bei sich aufgenommen. »Ich bin doch nicht der heilige Franz von Assisi«, sagte sie und wischte sich die Hände an ihrer Blusen trocken.
»Nicht?«
»Ganz bestimmt nicht.«
»Aber die heilige Shannon?«
»Es gibt keine heilige Shannon.«
»Bist du sicher?«, entgegnete er.
»Hm … nein.« Sie zuckte die Schultern und pfiff nach Khan. »Meine Schulzeit und der Religionsunterricht in St. Theresa liegen schon eine Weile zurück. Aber ich glaube, wenn jemand mit dem Namen Shannon heiliggesprochen worden wäre, wüsste ich davon.« Sie musterte Nate und stemmte eine Hand auf die Hüfte. »Wo zum Teufel hast du gesteckt?«
»Hatte einiges zu tun. Der Pick-up macht Ärger. Jetzt ist er in der Werkstatt. Einer der Mechaniker hat mich nach Hause gefahren.«
»Du hättest wenigstens mal anrufen können.«
»Habe ich. Auf deinem Handy. Aber du hast nicht zurückgerufen.«
»Ich hab’s versucht, aber deine Mailbox war voll. Außerdem war mein Handy eine Zeitlang verschwunden«, sagte sie. Die rätselhafte Art, wie es wieder aufgetaucht war, beunruhigte sie noch immer.
»Tja, jedenfalls habe ich immerhin versucht, dich zu erreichen.«
Wenn auch nur halbherzig, dachte sie, sprach es jedoch nicht aus.
»Ich habe von der Sache mit Mary Beth gehört. Es tut mir leid.«
»Ja, mir auch.«
»Die Polizei geht davon aus, dass es Mord war?«
Shannon nickte. Der Humor und die Herzlichkeit, die eben noch zwischen ihnen geherrscht hatten, verflüchtigten sich angesichts der düsteren Tatsache.
»Wie nimmt Robert es auf?«
»Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit es passiert ist, aber meine Brüder und meine Mutter sagen, er ist ziemlich am Boden.«
»Und die Kinder?«
»Ich weiß es nicht. Bestimmt ist es nicht leicht für sie.« Sie stützte die Unterarme auf die oberste Latte des Gatters. »Die Polizei nimmt an, dass der Täter derselbe ist, der meinen Schuppen niedergebrannt hat.«
Nates Blick glitt kurz zur Brandstelle hinüber, dann sah er Shannon ins Gesicht. »Und der dich überfallen hat.«
»Und, wie es aussieht, Dani Settler entführt hat.«
»Deine Tochter.«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Ich kann mich nicht erinnern, dir all meine tiefen, dunklen Geheimnisse anvertraut zu haben.«
Achselzuckend versetzte er: »Santa Lucia ist eine Kleinstadt. Jeder weiß über jeden Bescheid.«
»Dich eingeschlossen?«
»Nur die Menschen, die mir wichtig sind«, sagte er und wies dann, bevor sie etwas erwidern konnte, mit einer Kopfbewegung in Richtung Koppel, wo die Pferde grasten. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
»Was denn?«
»Komm mit.« Als sie zögerte, setzte er hinzu: »Glaub mir, Shannon, was ich entdeckt habe, wird dich interessieren.«
Ihre Neugier war geweckt, und so folgte sie Nate bis zu dem Zaun, der die Koppel hinter dem Pferdestall einfasste. Dort genossen die Tiere die letzten Strahlen der Abendsonne. Ein paar zupften an den wenigen trockenen Grasbüscheln, die sich auf der Koppel noch fanden, während der Rotschimmel sich im Staub wälzte und mächtige Wolken aufwirbelte, die seinen Körper fast völlig einhüllten. Nur die auskeilenden Beine waren noch sichtbar. Andere Pferde standen nur da, wandten ihnen die Köpfe zu und beobachteten sie aus dunklen Augen.
»Warte hier«, wies Nate sie an und nahm einen Lederriemen von einem Haken im Stall, um dann durchs Gatter zu schlüpfen und sich der kleinen Herde unter den Zweigen eines Erdbeerbaums zu nähern. Die Tiere hoben die Köpfe und blickten ihm entgegen. Er ging zielstrebig auf sie zu, redete mit fester Stimme auf sie ein.
Molly, die Falbstute, die gescheut hatte, als Shannon sie in der Brandnacht aus der Box holen wollte, war immer noch unruhig. Während die anderen Pferde sich wieder den trockenen Grashalmen zuwandten, schien sie im nächsten Moment durchgehen zu wollen. Sie blähte die Nüstern, rollte die Augen, und die Muskeln unter ihrem gelbbraunen Fell zitterten.
Nate trat dichter an sie heran. Die Stute schnaubte ängstlich, ließ jedoch zu, dass er die Führleine an ihrem Halfter einhakte. Zärtlich klopfte er ihr auf die Schulter und führte sie zum Zaun.
»Sie ist immer noch nervös«, bemerkte Shannon und schlug nach einer Bremse, die ihr um den Kopf schwirrte.
»Das wäre ich an ihrer Stelle auch.« Nate war plötzlich sehr ernst, seine dunklen Augen nahmen
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