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Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer

Titel: Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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unwichtig, ob einer die Karten liest oder die Rennergebnisse vorhersagt, wie es bedeutungslos ist, ob einer einen Roman mit Bleistift auf einen Kanzleiblock schreibt oder sich der neuesten Computertechnik bedient. Es kommt immer aus derselben Quelle.«
      Obwohl Kincaid kein Zeichen von Ungeduld gezeigt hatte, warf sie ihm einen forschenden Blick zu, als wollte sie seine Reaktion taxieren, und sagte: »Haben Sie bitte einen Moment Geduld. Zunächst einmal möchte ich sagen, daß ich keinen verurteile, der seine Fähigkeiten unterdrückt.« Ihre Augen,grün und direkt, begegneten wieder seinem Blick. »Ich habe auch einmal zu diesen Menschen gehört. An dem Tag, an dem ich zur Schule kam, hatte ich bereits gelernt, daß es keinen Sinn hatte, darüber zu sprechen, was ich sehen und spüren konnte, wenigstens nicht mit Erwachsenen. Kindern schien es nichts auszumachen, aber wenn sie ihren Eltern davon erzählten, war ich plötzlich nicht mehr willkommen. Kinder haben im allgemeinen einen gut entwickelten Überlebenssinn, und ich war keine Ausnahme. Ich habe mein Anderssein versteckt so gut es ging.«
      Kincaid hatte keine Schwierigkeiten, sich Madeleine Wade als ein unbequemes und auffallend unansehnliches Kind vorzustellen. Und da sie über ihre Gesichtszüge, die sicher Spott und Hänseleien herausgefordert hatten, keine Kontrolle gehabt hatte, hatte sie vermutlich mit aller Macht versucht alles andere, was Anstoß erregen konnte, zu kontrollieren. Wahrscheinlich um jeden Preis, dachte er.
      »Sie haben in der Vergangenheit gesprochen, Miss Wade. Ist dem zu entnehmen, daß die Situation sich geändert hat?«
      »Die Situation ändert sich dauernd, Superintendent«, erwiderte sie, und er hörte wieder den Hauch von Erheiterung in ihrer Stimme. »Aber Sie haben natürlich recht. Viele Jahre lang habe ich meine Fähigkeiten fest unter Verschluß gehalten und ein angepaßtes Leben geführt. Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber ich wurde Bankkauffrau und habe die Wertpapierabteilung einer Bank geleitet.« Mit einem leisen Lachen fügte sie hinzu: »Manchmal kommt es mir vor wie ein anderes Leben, obwohl ich' eigentlich gar nicht an Reinkarnation glaube.« Wieder ernst werdend, fuhr sie fort: »Aber im Lauf der Jahre hatte ich das Gefühl, innerlich zu schrumpfen, langsam zu verdorren. Obwohl ich in meiner Arbeit oft meine - Fähigkeiten - gebrauchte, wollte ich mir partout nicht eingestehen, was ich da tat. Bis ich eines Tages einen Moment der Erleuchtung hatte - der Anlaß dazu braucht Sie nicht zu interessieren - und kurzerhand Schluß machte. Ich kündigte, gab meine Wohnung an der Themse auf, vermachte meine Karrierekostüme der Heilsarmee und kam hierher.«
      »Miss Wade«, sagte Kincaid vorsichtig, »Sie haben uns bisher nicht verraten, was das für Fähigkeiten sind, von denen Sie sprechen. Können Sie die Vergangenheit oder die Zukunft sehen? Wissen Sie, was Alastair Gilbert zugestoßen ist?«
      Kopfschüttelnd sagte sie mit Inbrunst: »Ich danke Gott jeden Tag dafür, daß ich nicht die Gabe besitze, in die Zukunft zu sehen. Das wäre eine furchtbare Bürde. Und ich kann auch die Vergangenheit nicht wieder aufrollen. Meine kleine Gabe ist, daß ich Emotionen erspüren kann, Superintendent. Ich weiß sofort, ob jemand unglücklich, verletzt, glücklich, zufrieden oder von Angst geplagt ist. Ich habe das Wort >Aura< nie gemocht. Es taugt wahrscheinlich so gut wie jedes andere, zu beschreiben, was ich sehe, aber im Grunde ist es so, als wollte man einem Blinden die Farbe beschreiben.«
      Kincaid fühlte sich plötzlich so nackt, als hätte man ihm die Kleider abgestreift. Spürte sie seine Verletztheit und seinen Zorn, vielleicht sogar seine Skepsis? Er sah, daß Deveney voll Unbehagen auf seinem Stuhl hin und her rutschte und wußte, daß es ihm ähnlich erging.
      »Miss Wade«, sagte er, bemüht, seine Aufmerksamkeit nach außen zu richten, um nicht selbst ins Kreuzfeuer zu geraten, »Sie haben meine Frage nach Alastair Gilbert nicht beantwortet.«
      »Über Gilbert kann ich Ihnen nur sagen, daß er ein sehr unglücklicher Mensch war. Aus ihm sind unablässig Zorn und Bitterkeit herausgeflossen wie Wasser aus einer unterirdischen Quelle.« Sie verschränkte wie schützend die Arme über ihrer Brust. »Es fällt mir schwer, diese Art der Energie über längere Zeit auszuhalten.«
      »War er ein Klient von Ihnen?«
      Sie lachte. »Oh, nein! Menschen wie Alastair Gilbert kommen

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