Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
hatte täuschen lassen; verbarg sich vielleicht hinter seinem gelassenen Äußeren etwas ganz anderes?
Sein Blick traf sie überraschend, und sie spürte, wie sie errötete. »Im Grund geht es doch gar nicht um Brian, nicht wahr, Gemma?« fragte er. Und ehe sie Einwände erheben konnte, fügte er hinzu: »Sie brauchen mir keine Antwort zu geben. Ich wollte Ihnen nur sagen, wenn Sie mal jemanden zum Reden brauchen, ich bin immer für Sie da.«
Um halb zwei fuhr Gemma, von einem belegten Brot gestärkt, das sie sich im Zug gekauft hatte, die Rolltreppe am U-Bahnhof Holland Park hinauf. Ein flotter Marsch brachte sie zu Jackies Haus, und dort blieb sie einen Moment stehen, um zu verschnaufen und das glühende Rot des wilden Weins zu bewundern, der sich auf dem braunen Backstein in die Höhe zog.
Jackie öffnete ihr freudestrahlend. »Gemma! Als ich dich zu Hause nicht erreichen konnte, hab’ ich’s im Yard versucht, aber ich hab’ wirklich nicht erwartet, daß du plötzlich vor meiner Tür stehen würdest. Komm rein.« Sie trug einen bunten Morgenrock, und ihre krausen Locken waren noch feucht von dem Bad.
»Sie haben mir gesagt, es sei dringend«, erklärte Gemma, als sie Jackie in den ersten Stock hinauf folgte.
»Naja, ich hab’ schon ein bißchen dick aufgetragen«, sagte Jackie etwas verlegen. »Aber ich dachte, sonst würden sie mich nicht ernst nehmen. Komm, setz dich. Ich hol’ dir was zu trinken.«
Als Jackie mit zwei Gläsern Limonade aus der Küche zurückkam, fragte Gemma: »Worum geht’s denn, Jackie? Und wieso arbeitest du nicht?«
Jackie kuschelte sich ins Sofa. Der bunte Morgenrock bauschte sich um sie wie die Gewänder einer exotischen Prinzessin. »Ich fang’jetzt um drei an. Sie haben mir eine andere Schicht gegeben. Viel Zeit hab’ ich nicht mehr, dann muß ich los.
Weißt du, man hat mir gesagt, du seist nicht in London - ich hab’ dich doch hoffentlich nicht aus Surrey hierher gelotst?«
Gemma sah ihre Freundin verwundert an. »Jackie, wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich sagen, du weichst aus. Doch, ich bin extra aus Surrey gekommen. Also los jetzt, raus mit der Sprache.«
Jackie trank von ihrer Limonade und prustete, als ihr die Bläschen in die Nase stiegen. »Ich komm’ mir ehrlich gesagt ein bißchen blöd vor. Ich mach’ da wahrscheinlich aus einer Mücke einen Elefanten. Du weißt doch, ich hab’ gesagt, ich würde mal mit Sergeant Talley reden?«
Gemma nickte.
»Also, ich kann dir sagen, der ist richtig sauer geworden. Ich sollte mich gefälligst um meine eigenen Angelegenheiten kümmern, sagte er und hat mich abblitzen lassen. Das hat mich ziemlich geärgert und daraufhin hab’ ich mir heute morgen einen Streifenkollegen geschnappt, der schon genauso lange in Notting Hill ist wie Talley. Ich hab’ihn zum Frühstück im Café neben der Dienststelle eingeladen, als er heute morgen aus dem Dienst kam.« Jackie legte eine Pause ein und griff wieder nach ihrem Glas.
»Und?« fragte Gemma, neugierig geworden.
»Er hat gesagt, soweit er weiß, hätten die Spannungen zwischen Gilbert und Ogilvie nichts mit einer Frau zu tun gehabt. Angeblich soll Gilbert Ogilvies Beförderung verhindert haben. Er soll vor dem Ausschuß gesagt haben, seiner Meinung nach wäre Ogilvie zu eigenbrötlerisch und als Führungspersönlichkeit nicht geeignet. Die beiden waren Partner gewesen, und unter den Leuten war allgemein bekannt, daß Gilbert inkompetent war und Ogilvie ihn mehr als einmal gedeckt hatte.« Jackie schüttelte angewidert den Kopf. »Kannst du dir das vorstellen? Ogilvie ist irgendwann doch befördert worden, als Gilbert nicht mehr sein Vorgesetzter war, aber ich glaube nicht, daß er Gilbert je verziehen hat.«
»Hältst du es für möglich, daß er ihn genug gehaßt hat, um ihn nach all den Jahren umzubringen?« Gemma überlegte einen Moment mit gerunzelter Stirn. »Nach allem, was ich über Gilbert gehört habe, würde es mich nicht wundern, wenn er Ogilvies Beförderung aus reiner Bosheit verhindert hat, weil er auf ihn eifersüchtig war. Das alles ist ungefähr um die Zeit passiert, als die beiden Claire kennengelernt haben, stimmt’s?«
»Ich glaube, ja, aber sicher bin ich nicht. Da müßte ich erst mal in den Unterlagen nachschauen. Gemma . . .«
»Ich weiß. Du mußt dich anziehen, sonst kommst du zu spät.« Gemma nahm ihr leeres Glas, um es in die Küche zu bringen.
»Nein, das
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