Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
wohl Sergeant James. Ich habe schon von Ihnen gehört, vor allem von Geoff. Ich bin Madeleine Wade.« Sie schob ihre Hand durch das Fenster, und Gemma ergriff sie zu kurzer Begrüßung. »Falls Sie nach Ihrem Superintendent Ausschau halten, ich habe ihn in letzter Zeit nicht gesehen. Tschüs.« Mit einem Winken legte Madeleine Wade den Gang ein und fuhr davon.
Gemma, die ihr verblüfft nachblickte, klappte ihren Mund zu und fragte sich, wieso sie das Gefühl hatte, soeben auseinander-genommen und wieder zusammengesetzt worden zu sein. Und hatte sie auf dem Wörtchen »Ihr« vor dem »Superintendent« eine besondere Betonung vernommen oder bildete sie sich das nur ein? Mit einem Achselzucken überquerte sie die Straße und ging zum Parkplatz des Pub, aber der Rover stand nicht dort.
Langsam wanderte sie die zwischen Hecken eingebettete Straße hinauf und betrachtete nachdenklich das Haus der Gilberts. Sollte sie die Gelegenheit ergreifen und mit Claire Gilbert allein sprechen, oder würde sie Kincaid damit ins Handwerk pfuschen? Sie hatte den Eindruck, daß zwischen ihr und Claire sich eine Art Beziehung angebahnt hatte, und sie vielleicht allein eher die Möglichkeit haben würde, Claires Vertrauen zu gewinnen.
Sie trat durch das Gartentor, ging aber nicht zu der düsteren, streng wirkenden Haustür, die ihr Alastair Gilberts Anwesenheit im Haus zu symbolisieren schien, sondern folgte dem Weg zum Garten.
Der Anblick, der sie empfing, war idyllisch. Auf einem Stuhl aus weiß lackiertem Schmiedeeisen, der auf ein sonniges Fleckchen im grünen Rasen hinausgebracht worden war, saß Claire Gilbert in einer viktorianisch anmutenden Bluse mit Stehkragen und einem buntgeblümten Sommerrock. Lucy hockte neben ihr auf dem Boden, den Kopf ans Knie ihrer Mutter gelehnt, und Lewis sprang übermütig mit einem Tennisball im Maul herum, den er prompt fallen ließ, um Gemma entgegenzustürmen.
»Hallo, Sergeant«, sagte Claire, als Gemma über den Rasen kam. »Holen Sie sich noch einen Stuhl und setzen Sie sich zu uns. Ist dieses Wetter nicht götttlich?« Sie hob eine Hand zum wolkenlos blauen Himmel. »Trinken Sie ein Glas Zitronenlimonade. Lucy hat sie selbst gemacht.«
»Ich hole Ihnen nur schnell ein Glas«, erklärte Lucy lächelnd und sprang auf. »Nein, Lewis«, schimpfte sie, als sie Gemma einen Stuhl brachte. »Sie will jetzt nicht mit dir spielen, du dummer Kerl.« Der Hund neigte hechelnd mit hängender rosa Zunge, die sich hell von seiner dunklen Schnauze abhob, den Kopf zur Seite.
»Ich komme mir vor wie ein Erzfaulpelz«, sagte Gemma, als sie sich auf den Stuhl niederfallen ließ.
Claire schloß die Augen. »Nichtstun ist manchmal das Beste. Wir gönnen es uns nur viel zu selten.«
»Ich habe das Gefühl, ich bekomme das heute von allen Seiten zu hören. Ist da vielleicht eine Verschwörung im Gang?«
Claire lachte. »Hat man Ihnen als Kind auch eingebleut, daß sich regen Segen bringt? Merkwürdig, wie schwer es ist, diese alten Regeln abzuschütteln.«
Lucy kam mit einem Glas Zitronenlimonade für Gemma zurück und setzte sich wieder neben den Stuhl ihrer Mutter. »Was abzuschütteln?« fragte sie, zu den beiden Frauen aufblickend.
»Dinge, die wir von Kindesbeinen an gelernt haben«, antwortete Claire in leichtem Ton und strich ihrer Tochter über das Haar. »Brav zuzuhören, zu gefallen, zu tun, was von einem erwartet wird. Richtig, Sergeant?« Sie warf Gemma einen leicht spöttischen Blick zu. »Ich kann Sie nicht >Sergeant< nennen - Sie heißen Gemma, nicht wahr?«
Gemma nickte. Sie dachte an den Unabhängigkeitsgeist ihrer Mutter, die nie ein Blatt vor den Mund nahm, wenn es darum ging, ihrer Meinung Ausdruck zu geben. Aber obwohl Gemma seit ihrer Kindheit diesem Einfluß ausgesetzt gewesen war, hatte sie vor Rob gekuscht und sich jeder seiner Launen gebeugt, als wäre er der große Herrscher. Es schauderte sie bei der Erinnerung. Wodurch wurde solches Verhalten hervorgebracht, und wie schützte man sich davor?
»Ich mach’ mich jetzt lieber schon mal fertig«, sagte Lucy, Gemma aus ihren Gedanken reißend. »So kann ich ja schlecht gehen. Lewis hat mich ganz vollgesabbert.« Sie wischte sich über die Bluse.
»Ach, wohin gehen Sie denn?« fragte Gemma.
»Wir führen Gwen zum Tee aus, und Mama hat gesagt, ich soll mich >ordentlich< anziehen. Ich hasse dieses Wort, Sie auch?«
»Ja, es ist gräßlich« stimmte Gemma lächelnd
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