Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen
Bren?«
Brenda zögerte einen Moment. Dann zuckte sie die Schultern. »Die Polizei ist da, Dad. Sie möchten mit dir reden.« Damit trat sie zurück und gab den Weg ins Wohnzimmer frei.
Gemma machte sich instinktiv ganz dünn, als sie den kleinen Raum betrat, der mit Möbeln und Nippes verstellt war, zwischen denen man sich hindurchschlängeln mußte. Hier konkurrierten Lampenschirme mit Fransenrand mit dem Mohnblütenmuster der Tapete, während sich letztere schrill vom gewagten, floralen Design des Teppichs abhob. Souvenirs aller Art und Familienfotos belegten jeden freien Platz, und breiteten sich über die Wände aus. Brenda Hubbard sah sich nach Gemma um und deutete auf die Fotos. »Ich sage Dad immer, daß kein Platz dafür mehr ist, aber er kann sich von keinem trennen.«
Gemma blieb stehen und betrachtete eine Gruppe von Fotos in besonders kitschigen Bilderrahmen auf einem Bücherregal. »Seine Schulklasse?« fragte sie und deutete auf das größte Bild.
Brenda lächelte. »Familie. Wir waren vierzehn. Dreizehn Mädchen und ein Junge ... der jüngste. Was Mum sich in den Kopf gesetzt hat, mußte sein, da war nichts zu machen.« Sie berührte flüchtig die Fotografie einer verbrauchten Frau mit freundlichem Gesicht inmitten einer Kinderschar, und ging weiter.
Der blaue Plüschsessel vor dem Fernseher war der einzig ungemusterte, ruhende Pol im Raum. Er war unbesetzt. Die Glastür zur kleinen Betonterrasse war geöffnet, und im Schatten des Sonnenschirms saß ein älterer Mann in einem weißen Plastikgartenstuhl. Neben ihm hob ein Terrier seinen schmalen Kopf von den Pfoten, als sie ins Freie traten.
»Mr. Brent.« Kincaid zückte auf der Terrasse seinen Dienstausweis. Mit einem Blick auf den Hund, der an seinen Hosenaufschlägen schnupperte, fügte er hinzu: »Ich bin Superintendent Kincaid. Das ist Ser...«
»Sitz, Sheba.« George Brent schimpfte sanft mit dem Hund und betrachtete sie dann prüfend aus seinen wachen blauen Augen. »Janice Coppin hat Sie geschickt, was? Soviel Grips hätte ich ihr gar nicht zugetraut.«
Brenda Hubbard schüttelte ärgerlich den Kopf. »Dad, das ist nicht nett von dir. Das weißt du.« Mit einem Blick auf Gemma und Kincaid fügte sie entschuldigend hinzu: »Janice ist mit unserem Georgie zur Schule gegangen. Und Dad kann sie wegen irgendeinem dummen Kinderkram nicht leiden, den alle längst vergessen haben.«
»Deine Mum hat’s nie vergessen. Und für unseren Georgie war das alles andere als dummer Kinderkram ... sie hat ihn vor dem Abschlußball sitzenlassen.« Nachdem er seiner Tochter seinen Standpunkt klargemacht hatte, hielt George Brent Kincaid die Hand hin. Sein Griff war kräftig, und die Arme und Schultern, die seine Baumwollweste unbedeckt ließen, waren immer noch muskulös.
Kincaid zog zwei weitere Plastikstühle heran. »Dürfen wir uns setzen, Mr. Brent?«
»Oh, Verzeihung! Wie unhöflich von mir.« Brenda Hubbard klang fast wie ein aufgescheuchtes Huhn, als sie ihnen half, die Stühle um den Tisch zu stellen. »Darf ich Ihnen was anbieten? Tee? Oder Orangensaft?«
»Saft wäre himmlisch«, sagte Gemma. Sie war nicht nur durstig, sie wollte Mr. Brents Hickhack mit seiner Tochter beenden, da das nur vom Wesentlichen ablenkte.
Als Brenda in der Küche verschwunden war, begann Kincaid erneut: »Ohne Sie unnötig aufregen zu wollen, Mr. Brent, müssen wir Sie doch bitten, uns zu erzählen, was heute morgen passiert ist.«
»Wer sagt, daß ich mich aufrege?« Brent schickte einen düsteren Blick in Richtung Haus. »Alles Blödsinn!« fügte er leise hinzu. Dann versenkte er seine Finger im rauhen Fell seines Hundes.
»Man findet nicht jeden Tag eine Leiche, Mr. Brent«, bemerkte Gemma. »Da würde sich jeder aufregen.«
Brent wandte den Blick ab. Gemma sah, wie sein Adamsapfel auf und ab hüpfte, als er schwer schluckte, und wie verkrampft die Hand das Fell des Hundes packte. »Sie war so schön ... so verdammt schön. Ich dachte, sie schläft... wie eine Märchenprinzessin.«
Brenda kam mit den Getränken, stellte die Gläser wortlos ab, zog einen weiteren Plastikstuhl in den Schatten und setzte sich.
»Erzählen Sie einfach der Reihe nach«, schlug Kincaid vor. »Sie haben also Ihren Hund in den Park geführt, oder?«
»Zuerst hast du gefrühstückt, stimmt’s, Dad?« plapperte Brenda dazwischen. »Du gehst immer nach dem Frühstück mit Sheba Gassi.«
»Ganz recht.
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