Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen
Tasse hängte. »Je höher die Lage desto mehr Ernten? Meinen Sie das?« fragte er.
»Theoretisch, ja ... praktisch, nein.« Teresa steckte eine Strähne blonden Haars hinter das Ohr und rieb sich die Schweißperlen von der Stirn. Obwohl es im Lagerhaus kühler war als draußen, herrschte eine Atmosphäre wie in einem tropischen Glashaus. »Wir sind bekannt dafür, mit bestimmten Plantagen Handel zu treiben, und wir sehen uns die entsprechenden Produktionsstätten auch an. Annabelle ... Annabelle hat nach ihrem Uniabschluß etliche Plantagen in Ceylon und Indien besucht, aber die Hochzeitsreise wollte sie nach China machen ...« Teresas Augen füllten sich mit Tränen, Sie zog ein Taschentuch aus der Jeanstasche und putzte sich die Nase, »’tschuldigung. Ich kann nur nicht ... Einige unserer Kunden haben Annabelle zuerst nicht ernst genommen. Der Teehandel ist eine traditionell männliche Domäne, und ich schätze, sie dachten, sie würde sich nur die Zeit damit vertreiben, bis sie was Passenderes gefunden habe.
In Wirklichkeit liebte sie Tee. Sie war seit ihrer Kindheit von jeder Produktionsstufe fasziniert und wollte alles einmal direkt an der Quelle erleben.«
»Und dazu mußte sie nach China oder Indien reisen?« fragte Kincaid.
»Ja. Alle Tees werden gleich nach der Ernte noch auf der Plantage selbst weiterverarbeitet. Die Blätter müssen innerhalb von Stunden welken, sich einrollen und getrocknet werden, sonst verlieren sie ihre Frische. Außerdem muß der Grad der Fermentierung perfekt getroffen werden ... Ist der Tee zu stark fermentiert, schmeckt er flach; ist er zu schwach fermentiert, kann er schimmeln, sobald er für die Verschiffung verpackt ist. Das Verkosten und Mischen, das wir hier machen, ist nur das allerletzte Stadium.« Ihr Blick schweifte über die Kisten und den Verkostungstisch und die glatten Bohlen des Lagerhausbodens, die durch die jahrhundertelange Benutzung einen seidigen Glanz erhalten hatten.
»Oblag Annabelle die Verkostung des Tees?«
»Nein. Das machte Mac ... Mr. MacDougal. Teehändler beschäftigen professionelle Koster. Und Mac ist einer der besten in seinem Metier. Aber Annabelle ist... Annabelle war sehr gut, und einige Mischungen, die sie und Mac kreiert haben, haben unsere Marktanteile beträchtlich gesteigert. Ist mir schleierhaft, wie wir ohne sie zurechtkommen sollen.« Teresa drohte, die Stimme zu versagen, und sie preßte die Lippen zusammen, um die Beherrschung nicht zu verlieren. Sie wandte sich ab und führte sie zu den Regalen an der Rückwand. »Dieses neue Design ist nur ein Teil von Annabelles Zukunftsplanung.«
Kincaid sah, daß die Regale runde Büchsen mit dem vertrauten Firmenwappen von Hammond’s enthielten. Die Büchsen hatten eine ungewöhnliche Form, waren schmal und hoch, und in der faszinierenden Farbkombination kobaltblau und rostrot gestaltet, wobei das Firmenlogo in Gold geprägt war. Er erinnerte sich jetzt, diese Büchsen in den teureren Feinkostgeschäften und bei Harrods gesehen zu haben.
»Wie hübsch«, bemerkte Gemma und drehte eine Büchse, damit sie das Design von allen Seiten betrachten konnte.
»Sie hat diese Farben William ... ihrem Vater ... zuliebe gewählt ... nach seinem Lieblingsteeservice. Sie ...« Teresa schloß die Augen. Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid«, flüsterte sie.
»Kommen Sie, setzen Sie sich.« Gemma nahm sie sanft beim Arm und führte sie zu einer Sitzgruppe aus gepolsterten Rattanstühlen. »Ich hole Ihnen ein Glas Wasser.«
»Nein, nicht nötig. Geht schon wieder«, protestierte Teresa, sank jedoch dankbar in einen Stuhl. Sie fröstelte. »Es ist nur ... Ich glaube, ich hab’s immer noch nicht richtig begriffen.«
Gemma setzte sich zu ihr. »Ich glaube, Mr. Mortimer hat erzählt, daß Annabelle die Leitung der Firma von ihrem Vater übernommen hat. Stimmt das?«
»Seine Frau war schwer krank, müssen Sie wissen. Krebs. Dann, nach ihrem Tod, ging es ihm einige Zeit gesundheitlich nicht gut. Muß der Schock gewesen sein. Sonst hätte er das Zepter niemals aus der Hand gegeben.«
»Könnte Mr. Hammond die Firma nicht wieder übernehmen?«
Teresas Stirn legte sich in Sorgenfalten. »William hat seit fünf Jahren nichts mehr mit dem Tagesgeschäft zu tun. Allerdings hat er für Notfälle stets Tag und Nacht zur Verfügung gestanden. Ich glaube, er kann es nicht ertragen, es ganz zu lassen.«
»Dann ... mit seiner Erfahrung
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