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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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die Hand. »Du bist nicht schuld, Liebes, das mußt du wissen. Ich wollte ...«
      »Ich weiß, was du wolltest. Ist schon gut.« Sie zog seinen Kopf an ihre Brust und hielt ihn, streichelte seinen Rücken und war plötzlich von einer wilden und unerwarteten Zärtlichkeit erfüllt. Als er eingeschlafen war, zog sie ihre gefühllos gewordene Schulter unter ihm weg, lag wach neben ihm, bis der Morgen vor den Fenstern dämmerte, fragte sich, was sie fühlte und wie sie rechtfertigen sollte, was sie getan hatte.
     
    Während des langen Sommers des Jahres 1940 lernten Lewis und William, Flugzeuge zu identifizieren. Edwina war es gelungen, Karten mit den Schattenrissen der Flugzeugtypen von einem Freund beim Königlichen Aufklärungs-Corps zu bekommen, und jeden freien Nachmittagfuhren sie mit den Fahrrädern zu den Hügeln und suchten sich eine Stelle, von wo aus sie den Himmel beobachten konnten. Die Karten immer in der Hand.
      Das näher kommende Dröhnen von Flugzeugmotoren beschleunigte Puls und Herzschlag, und bald konnten sie einige Flugzeugtypen allein durch ihr Geräusch unterscheiden. Junkers 88, Heinkels, Messerschmitts, Wellingtons, Bienheims, Lancs ... sie setzten auf ihre Favoriten. Zuerst erschienen die deutschen Flugzeuge nur sporadisch und vereinzelt am Himmel, so daß die Jungen gar nicht auf die Idee kamen, Angst zu haben.
      Für sie war der Krieg ein fernes, fiktives Spiel. Sie spielten »Engländer und Deutsche« mit anderen Kindern auf den Dorfstraßen, und an den dunklen Abenden saßen sie mit John und der Köchin um das Küchenradio und hörten Tommy Handleys ITMA und »Appointment with Fear«, das ihnen mehr angst machte als die Nachrichten, und Lewis lernte Lord Haw-Haw so gut zu imitieren, daß sich die Köchin beinahe totlachte.
      Im Lauf derfolgenden Wochen jedoch überflogen immer mehr Flugzeuge die Gegend, und die Radiomeldungen wurden ernster. Frankreichs Widerstand brach zusammen, und Italien trat in den Krieg ein. John Pebbles meldete sich zur Heimatwehr und führte mit einem alten Schrotgewehr aus der Halle in den Hügeln Schießübungen durch. Dann kapitulierten Holland und Belgien, und die Leute begannen zu behaupten, in stillen Nächten könnte man als fernes Grollen den Schlachtenlärm aus Frankreich hören. Lewis stand mehrfach in den frühen Morgenstunden auf und ging in den Hof hinaus, um zu horchen, doch alles, was er je hörte, waren die Rufe der Eule, die sich im Stall eingenistet hatte, und das Scharren der Pferdehufe.
      Im Juni, als der Transport der englisch-französischen Armee aus Dünkirchen begann, hielt Winston Churchill, der mittlerweile Premierminister war, eine Radioansprache: »Wir werden an den Küsten kämpfen, wir kämpfen an den Stränden, wir kämpfen auf den Feldern und den Straßen, wir kämpfen in den Hügeln, wir werden uns nie ergeben«, und Lewis versuchte sich vorzustellen, wie die Menschen, und irgendwo unter ihnen auch seine Brüder, kämpften. Beseelt durch Mr. Churchills aufrüttelnde Worte, hatten er und William lange Streitgespräche, wie sie im Fall einer Invasion Widerstand leisten sollten. Sie bauten sogar in der Waldlichtung einen provisorischen Unterstand aus Mr. Cuddys altem Zelt und lagerten dort Konserven, die sie von der Köchin erbettelt hatten.
      Dann, eines Nachts im Juli, wachte Lewis von einer Detonation auf. Hastig sprang er im Dunkeln in seine Kleider, rannte die Treppen hinunter und auf den Hof vor dem Stall hinaus. Funken sprühten über die Baumwipfel aus der Richtung des Dorfes und verglühten, noch während er zusah. Dann gab es erneut ein Krachen, und eine Stichflamme loderte hoch über den Bäumen auf, und Lewis hörte lautes Schreien.
      »Was war das? Hast du’s gesehen?« William stürzte aus der Küchentür ins Freie und stopfte sich dabei das Hemd in die Hose. Hinter ihm tauchte Edwina auf. Dann kam Mr. Cuddy, der einen Morgenmantel über Hose und Hosenträger gezogen hatte und dessen Haar wirr vom Kopf abstand. John tauchte als letzter auf - kam im Dauerlauf den Hügel von seinem Cottage heruntergelaufen, das Schrotgewehr in der Hand.
      »Ich habe Motorengeräusche vor der Detonation gehört«, klärte John sie auf. »Da ist ein Flugzeug abgestürzt. Je schneller wir dort sind, desto besser. Im Dorf gibt es Leute, die was verdammt Dummes tun könnten.«
      John und Edwina tauschten einen bedeutungsvollen Blick.
      »Terence Pawley?« fragte sie.
      John nickte. »Unter anderem.«
      Lewis

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