Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
weiter.«
Marge pustete kräftig. Was hatte er nur? »Wo war ich stehen geblieben?«
»Daß Davida wollte, daß alle glauben, Lilah wäre ihre biologische Tochter.«
»Richtig … okay. Merritt vermutete die ganze Zeit, daß Lilah adoptiert war. Also hat er die Memoiren gestohlen, sie gelesen, und wie erwartet, hat Hermann über Lilahs Adoption geschrieben. Dann hat Merritt sich mit seiner Mutter in Verbindung gesetzt und ihr mitgeteilt, daß er Lilah die Wahrheit zu sagen gedenkt. Darauf meinte Davida: ›Dafür hast du keinen Beweis.«‹
»Und dann hat King gesagt: ›Doch, Mom, ich hab nämlich Hermanns Memoiren‹«, sagte Decker. »›Also entweder schiebst du mir ’ne ordentliche Summe rüber, damit ich den Mund halte, oder ich erzähl’s Lilah.«‹
»Genau«, sagte Marge. »Und Davida hat nichts rübergeschoben, also hat Merritt beschlossen, Lilah die Wahrheit zu sagen. Aber Davida hat ihn erwischt, bevor er Gelegenheit dazu hatte.«
»Klingt gut, außer …«
»Aha, jetzt kommt der Kracher.«
»Kein Kracher. Bloß daß Reed uns erzählt hat, Davida hätte Merritt angerufen und ihm reichlich Schotter für einen Gefallen angeboten – und zwar vor dem Einbruch. Nehmen wir mal an, der Gefallen war, daß er die Memoiren für sie stehlen sollte. Wenn sie Angst hatte, erpreßt zu werden, warum sollte sie dann Kingston überhaupt bitten, den Safe zu knacken?«
»Vielleicht hat Merritt zunächst ja gar nicht an Erpressung gedacht. Seine Mutter hat ihm Geld für einen Diebstahl angeboten, und da Merritt knapp bei Kasse war, hat er eingewilligt.« Marge hob einen Finger. »Doch dann wurde Merritt neugierig und hat die Papiere gelesen … und hat von Lilahs Adoption gelesen. Seine Gedanken begannen zu brodeln … wie Kaffee in der Maschine.«
Decker lächelte.
»Merritt beschloß, aus seiner Entdeckung Kapital zu schlagen«, sagte Marge. »Das gefiel Davida überhaupt nicht. Sie wurde stinksauer, und der Rest ist – wie man so schön sagt – Geschichte.«
»Seine eigene Mutter bringt ihn um, um an Papiere zu kommen, die bereits zwanzig Jahre alt sind?« sagte Decker.
»Vielleicht hatte Davida ja nicht vor, ihn umzubringen. Merritts Büro war das absolute Chaos. Vielleicht hat Davida sein Büro durchwühlt, und Merritt hat sie dabei überrascht. Die Situation geriet außer Kontrolle. Bum – Unfälle kommen immer wieder vor.«
Decker richtete die Düse der Klimaanlage auf sein Gesicht. »Vielleicht hat Merritts Tod gar nichts mit Davida oder den Memoiren zu tun. Deine Theorie von einem durchgedrehten Abtreibungsgegner ergibt plötzlich Sinn. Merritt experimentierte ja tatsächlich mit abgetriebenen Embryos und Föten herum. Da würden eine Menge Leute verdammt stinkig drauf reagieren.«
Sie verfielen in Schweigen.
Schließlich sagte Marge: »Hat Burbank eigentlich je durchgegeben, woran Merritt genau gestorben ist?«
»Yeah, ich hatte dir einen Zettel auf den Schreibtisch gelegt, als du im Parker Center warst.«
»Hab ich wohl übersehen.«
»Drei Schußverletzungen – eine am Hals und zwei in der Brust, von einem Smith & Wesson Kaliber 38. Jede einzelne davon hätte schon tödlich sein können.« Decker strich sich den Schnurrbart glatt. »Weißt du, so sehr mir die Adoptionstheorie auch gefällt, ich sehe sehr viel von Davida in Lilah.«
»Für mich sehen die sich überhaupt nicht ähnlich.«
»Das tun sie auch nicht. Aber der Ausdruck, die Manierismen …«
»Umfeld, Pete.«
»Die Stimme. Das ist genetisch bedingt.«
»Lilah ist eine gute Schauspielerin. Ich sehe ehrlich gesagt überhaupt nicht viel Ähnlichkeit zwischen den Geschwistern, außer daß sie alle ziemlich hell sind. Selbst der dunkeläugige Reed hat sehr helle Haut. Für mich hat Lilah genauso viel Ähnlichkeit mit ihren Halbbrüdern wie mit Freddy.«
»Mag sein.« Decker klappte die Sonnenblende nach unten.
»Ich weiß nicht. Ich sehe einfach diese Verbindung zwischen Davida und Lilah, ich weiß nur nicht genau, was es ist.«
»Wie wär’s mit verkorkste Persönlichkeit«, sagte Marge.
Decker mußte an seine eigenen Halbbrüder und -schwestern denken, die er vor acht Monaten zum ersten Mal gesehen hatte. Er sah keinem von ihnen ähnlich, aber er kam nach seinem biologischen Vater, und mit seinen Halbgeschwistern hatte er die Mutter gemeinsam.
Seine Blutsverwandten – fünf religiöse Juden, die in New York lebten. Eine merkwürdige Verstrickung von Ereignissen hatte sie zusammengeführt. Jetzt, nachdem alles vorbei
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