Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
und seufzte. »Das scheint Lichtjahre entfernt. Vielleicht ist es das ja auch. Vielleicht lebe ich bereits in einer anderen metaphysischen Welt.«
Decker und Marge blickten einander an.
»Lilah?« drängte Decker.
»Worüber wir gesprochen haben?« Erneut traten ihr Tränen in die Augen. »Über alte Zeiten. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, war ich so froh, von ihm zu hören. Er war mein großer, starker, älterer Bruder. Das hat mir gutgetan.« Ihr Blick verhärtete sich langsam. »Mit Kingston lief alles wunderbar, solange ich ihm aufs Wort gehorchte. Die Probleme zwischen uns fingen an, als ich plötzlich eigene Ideen hatte.« Mit einem Mal war ihr Gesicht ganz ausdruckslos. »Es ist Mutter. Sie steckt hinter all dem Bösen.«
Marge warf Decker einen kurzen Blick zu. »Wie meinen Sie das?«
»Wir sind alle ihren bösen Kräften ausgeliefert.«
»Was sind das für böse Kräfte, Lilah?« sagte Decker.
»Sie hat die Familie mit einem Fluch belegt. Das kann sie, weil sie eine Hexe ist.«
Marge zog eine Augenbraue hoch. »Warum sollte sie ihre eigene Familie verfluchen?«
»Sie haßt mich«, sagte Lilah völlig emotionslos. »Sie beneidet mich um meine Jugend, meine Schönheit, meine Kraft, Gutes zu tun – die genau so stark ist wie ihre bösen Kräfte.
Außerdem ist sie eifersüchtig – eifersüchtig auf die Liebe, die mein Vater für mich empfunden hat, eifersüchtig auf die Liebe, die Kingston für mich empfand. Das hat sie völlig fertiggemacht, als wir noch alle zusammenlebten. Als mein Bruder und ich dann unsere eigenen Wege gingen, war sie sehr froh. Gestern kam er dann, um sich mit mir zu versöhnen. Das konnte Mutter nicht ertragen. Sie hat ihn umbringen lassen.«
»Lilah«, sagte Decker, »hat sich Ihre Mutter irgendwie in dieser Richtung geäußert …«
»Natürlich nicht! Sie ist doch nicht blöd!«
»Haben Sie denn irgendeinen Beweis für Ihre Theorie?« fragte Marge.
»Ich brauche keinen Beweis. Ich weiß es.« Sie sah Decker an. »Ich weiß es einfach.«
Erneut herrschte Schweigen im Zimmer.
»Aber deswegen bin ich nicht hier«, erklärte Lilah schließlich.
»Weswegen denn?« fragte Marge.
Lilahs Gesicht wurde wieder lebhafter. »Wegen Carl Totes! Ich habe gehört, daß Sie die Frechheit hatten, ihn zu verhaften, weil er mich angeblich vergewaltigt hat! Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß er es nicht war.«
»Lilah«, sagte Decker sanft, »wir haben eindeutige Beweise, daß Totes mit der Vergewaltigung zu tun hatte.«
»Das ist doch absurd! Was für Beweise? Da muß ein Irrtum vorliegen!«
»Das Labor hat es zweimal getestet«, sagte Marge.
»Dann hat sich das Labor eben geirrt!« beharrte Lilah. »Lassen Sie’s noch einmal untersuchen!«
»Wir können einen weiteren Test durchführen lassen, Miss Brecht, aber dabei wird das gleiche herauskommen«, sagte Marge.
»Wir werden Totes dem Bezirksstaatsanwalt vorführen, Lilah«, sagte Decker. »Es sei denn, Sie haben uns was zu sagen, das unsere Beweise widerlegt.«
»Ich sag doch, daß es nicht …« Lilah hielt inne. »Was würde denn die Beweise widerlegen?«
»Das müssen Sie uns schon sagen, Miss Brecht«, sagte Marge.
»Ich hab Ihnen doch erklärt, daß er es nicht war«, sagte Lilah. »Reicht das denn nicht?«
»Sie hatten die Augen verbunden«, sagte Decker.
»Er war es nicht!«
»Wie ist denn dann sein Sperma auf Ihr Laken gekommen?« Decker starrte sie an.
»Warum sehen Sie mich so an?« wollte Lilah wissen.
»Ich hab mich gerade gefragt, ob Sie und Carl nicht vielleicht ganz freiwillig …« Decker ließ die Worte in der Luft hängen.
Lilahs Augen sprühten. »Ich? Mit Carl? Das ist ja einfach widerlich!«
»Ich wollte nur sichergehen …«
»… eine teuflische und gemeine Unterstel …!« Lilah stand auf und starrte die beiden wütend an. »Sie sind das reine Böse. Voller böser Gedanken und böser Taten! Vielleicht ist Mutter ja gar nicht für die schlimmen Dinge verantwortlich, die mir widerfahren sind. Vielleicht sind Sie der Teufel, der in Verkleidung des Guten auftritt. Ich wünsche Ihnen beiden die Pest an den Hals!« Sie konzentrierte den Blick auf Decker. »Und Ihrer Frau und dem ungeborenen Baby auch.«
Sie stürzte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
Marge und Decker saßen einen Augenblick schweigend da. Dann sagte Decker: »Warum konnte sie ihre Flüche nicht auf mich beschränken? Warum mußte sie Rina und das Kind mit hineinziehen?«
»Die Frau ist mir
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