Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
war, hielt er noch Kontakt zu Shimon, dem ältesten, und Jonathan, dem jüngsten – etwa ein halbes Dutzend Briefe und sogar einige Telefongespräche. Shim war ultra-orthodox. Er hatte einen langen schwarzen Bart und trug immer einen langen schwarzen Mantel. Jonathan war ein glatt rasierter konservativer Rabbi, der legere Kleidung bevorzugte. Oberflächlich betrachtet hatten sie alle drei nichts gemeinsam – sowohl vom Aussehen her als auch sonst. Und dennoch war da diese Verwandtschaft.
Seine Gedanken schweiften zu seinem Bruder Randy. Sie waren nicht blutsverwandt, trotzdem hatten sie viel gemeinsam. Beide waren Polizisten, beide hielten sich gern im Freien auf, und beide waren treue und liebevolle Söhne und gute Väter. Aber von der Persönlichkeit her waren sie völlig unterschiedlich. Decker war der Ernste, Randy der Unbekümmerte und Abenteuerlustige. Dann dachte Decker über seine Stiefsöhne nach – richtige Brüder, die im selben Umfeld aufgewachsen waren. Sie waren sich überhaupt nicht ähnlich.
Das ergab alles keinen Sinn. Es wurde Zeit voranzumachen.
»Vielleicht sollten wir Davida unsere kleine Theorie unterbreiten, Pete«, sagte Marge. »Mal sehen, wie sie reagiert.«
»Ich weiß nicht, ob jetzt der richtige Zeitpunkt dazu ist, Marge. Davida ist eine verdammt gute Schauspielerin. Wenn wir es beiläufig zur Sprache bringen, könnte sie es vermutlich überzeugend bestreiten.« Decker zog eine Augenbraue hoch.
»Und, ehrlich gesagt, möchte ich sie gerade jetzt nicht reizen. Dann wendet sie sich an die Presse, und Morrison ist stinksauer.«
»Haben wir denn irgendeine Möglichkeit, die Adoptionstheorie zu überprüfen?«
»Abgesehen von einer Blutuntersuchung?«
»Genanalyse …«
»Davida und Lilah ein paar Haare ausreißen?« Decker zuckte die Achseln. »Wäre machbar, aber ich weiß nicht, wie wir das vor dem Department rechtfertigen sollten. Ganz zu schweigen von der Union für Bürgerrechte. Das wäre wirklich ein Eingriff in die Privatsphäre.«
»Beweis für einen Mord?«
»An diesem Punkt noch nicht.«
»Da hast du recht.«
»Ich werde diese alte Dame anrufen, von der mir Perry Goldin erzählt hat, die angeblich Hermann Brecht noch aus Deutschland kannte. Vielleicht kann sie mir ja das ein oder andere über Davidas Schwangerschaft erzählen.«
»Vielleicht.« Marge schaute kurz zu Decker. »Ist wirklich alles okay mit dir?«
Es folgte ein längeres Schweigen. Dann sprudelten die Worte aus Decker heraus. »Marge, ich bin selbst adoptiert.«
»Was?« Plötzlich merkte sie, daß das Auto vor ihr langsamer fuhr, und latschte auf die Bremse. »O Gott, tut mir leid! Alles okay?«
Decker rieb sich den Nacken. »Ein kleines Schleudertrauma hat noch nie jemandem geschadet.«
Während Marge im Schrittempo weiterfuhr, versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. »Peter, warum hast du mir das denn nie erzählt?«
»Ich hab’s nicht für wichtig gehalten.«
»Ist es auch nicht, aber …« Ihr Kopf war voller Fragen. »Wie konntest du nur so etwas vor mir geheim halten?«
»Bist du sauer auf mich?«
»Ich weiß nicht …« Sie zögerte. »Vielleicht.«
»Tut mir leid.«
»Schon okay.« Marge trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad und wartete, daß Decker einige Details herausrücken würde. Doch wie immer spielte er den Taubstummen. »Ich hab da keine Probleme mit … daß du adoptiert bist.«
»Ich weiß.«
»Ich meine nur, wenn wir schon zusammenarbeiten, sollte es keine größeren Geheimnisse zwischen uns geben.«
»Einverstanden.«
»Ich hätte es dir erzählt.«
»Ich weiß.«
»Weiß Rina es?«
»Ja.«
Marge schwieg.
»Ihr mußte ich es sagen, Margie. Damit wir heiraten konnten …«
»Du schuldest mir keine Erklärung.«
Decker fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. »Du bist doch sauer.«
Marge tätschelte ihm seufzend das Knie. »Ich bin verletzt, alter Junge. Hast du denn kein Vertrauen zu mir?«
»Es tut mir leid. Ich hätte es dir schon längst sagen sollen. Aber ich bin froh, daß ich es dir jetzt gesagt habe. Damit fällt mir eine Last von den Schultern.«
»Warum frißt du immer alles in dich rein, Pete?«
»Weil ich ein Macho bin.«
Marge lachte.
»Jetzt überleg dir mal folgendes«, sagte Decker. »Du bist sauer, weil du plötzlich erfährst, daß ich adoptiert bin, wie sauer müßte da erst Lilah sein, wenn sie herausfände, daß sie adoptiert wurde und man es ihr nie gesagt hat.«
»Sie wäre tierisch sauer … auf Davida.«
»Vielleicht ist
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