Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
Marge.
»Meine Schwester war eine Einserschülerin und hat sich noch nie etwas zuschulden kommen lassen. Wenn Sie ihr den Mord nicht anhängen können – und das können Sie nicht, weil sie niemanden umgebracht hat –, was hat sie dann zu befürchten? Zwei Jahre auf Bewährung wegen Behinderung der Justiz und Verfälschung von Beweismaterial … irgend so was.«
»Wollen Sie meine Meinung wissen?« fragte Decker.
»Im Prinzip schon.«
»Was die rechtliche Seite betrifft, dazu kann ich nichts sagen«, erklärte Decker. »Haben Sie irgendwas auf dem Herzen, Mike?«
Ness’ Blick wanderte wieder zu dem Jahrbuch. »Brauchen Sie das Ding da?«
»Es ist ein Beweisstück«, sagte Decker.
»Wofür?«
Decker war sich nicht sicher und antwortete nicht.
Ness senkte den Blick. »Hören Sie, Detective … das einzige, was dieses Buch anrichten kann, ist, mein ohnehin schon beschissenes Leben noch beschissener zu machen. Sie haben nichts, woraus sich ein Fall machen ließe. Und Sie werden auch keinen zusammenkriegen. Aber wenn Sie mir das Jahrbuch geben, könnte ich Ihnen vielleicht eine kleine Nachhilfestunde geben – alles rein hypothetisch natürlich.«
Decker schwieg weiter.
»Sie wissen schon, ein paar Lücken ausfüllen«, sagte Ness. »Solange Ihnen klar ist, daß ich lediglich meine Meinung wiedergebe. Sie können mir drohen, womit Sie wollen. Ich werde mich niemals gegen Davida wenden.«
»Warum schützen Sie sie?« fragte Marge.
»Das hat nichts mit Loyaltität oder so was zu tun.« Ness schlenderte ganz gemächlich zur Bar und schenkte sich einen Fingerbreit Chivas ein. »Aber man kann sich nicht gegen Davida wenden und als Sieger daraus hervorgehen. Wenn du sie nicht besiegen kannst, et cetera, et cetera, et cetera.«
»Haben Sie nicht doch etwas auf dem Herzen, Mike?« sagte Marge.
»Nichts Spezielles.« Mike nippte an seinem Scotch. »Hören Sie, Sie haben nichts gegen mich in der Hand. Und Sie werden auch nichts gegen mich kriegen, solange ich über Davida den Mund halte. Wenn Sie ein paar Informationen wollen – oder ich sollte vielleicht besser sagen ein paar weise Worte von mir – okay. Wenn nicht … bin ich hier raus. Was das da betrifft« – er zeigte auf das Album – »ich kann Sie zwar nicht zwingen, es Lilah nicht zu zeigen, aber es wäre nett, wenn Sie’s nicht täten. Das würde nämlich vermutlich Kelley und mich unsere Jobs kosten. Lilah ist in mancher Hinsicht ein bißchen prüde.«
Decker nahm das Jahrbuch in die Hand und blätterte darin herum. »Michelle Ness, was?«
Ness wurde blaß, sagte aber nichts. Decker merkte, wie ihm der Kopf schwirrte. Was war denn das große Geheimnis? Daß er als Jugendlicher Frauenkleider getragen hatte? Hatten seine Eltern seine Genitalien verstümmelt? Decker legte das Album auf seinen Schoß. »Mike, wenn Sie ein bißchen Konversation mit uns machen wollen, ist das Ihre Entscheidung.«
»Solange Ihnen klar ist, daß das alles rein hypothetisch ist. Was für Perlen möchten Sie denn aus meinem wunderbaren Gehirn fischen?«
»Wie ist Kingston Merritt in Lilahs inneren Safe gekommen?« fragte Marge.
»Ich würde sagen, jemand hat eine High-Tech-Kamera in Lilahs Wandschrank versteckt und sie gefilmt, während sie den Safe öffnete.«
»Ihre kleine Videokamera«, sagte Marge.
»Deshalb nennt man Sie also Detective!«
»Könnten wir die neckischen Bemerkungen vielleicht sein lassen?« sagte Decker.
Ness atmete kräftig aus. »Tut mir leid. Ich werd immer biestig, wenn ich nervös bin. Ich glaub zwar nicht, daß es genau diese Kamera war, aber etwas in der Art. Ein ganz normaler Camcorder, an dem man ein paar Veränderungen vorgenommen hat – den Motor leiser gemacht und die Kamera dann am Deckenventilator in Lilas Wandschrank befestigt. So daß jedes Mal, wenn sie das Licht im Schrank anschaltet, die Kamera zusammen mit dem Ventilator anspringt. Das Summen des Ventilators übertönt das Geräusch von dem Motor des Camcorders.«
»Wie lange haben Sie gebraucht, bis Sie die Kombination aufgezeichnet hatten?« fragte Decker.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich mache nämlich nichts Illegales. Aber ich würde meinen, im Durchschnitt etwa sieben Monate – ungefähr zwanzig Filmsequenzen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Selbst dann wäre es noch schwierig, es auf den Videos richtig zu erkennen. Unter Umständen braucht derjenige noch einen ganzen Monat, um immer mal wieder an der Zahlenscheibe herumzuprobieren, bis er endlich die richtige
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