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Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen

Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen

Titel: Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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trank einen weiteren Schluck Whisky.
    »Dieser Zustand war nicht lebensbedrohlich. Meine Mutter hätte überhaupt nichts deswegen tun müssen, sondern hätte mich einfach als Jungen aufwachsen lassen können. Außer der Tatsache, daß ich unfruchtbar wäre und einen kleinen Pimmel hätte – klein, aber seiner Aufgabe durchaus gewachsen –, hätte ich ein ziemlich normales Leben führen können.
    Aber meine Mutter wollte das nicht. Meine Chromosomen sagten, ich sei ein Mädchen, und Mom glaubte fest an Gottes Plan. Wenn Gott gewollt hätte, daß ich ein Junge bin, hätte er einen richtigen Jungen aus mir gemacht. Also beschloß Mom, mich zu einem Mädchen zu machen. Also … zogen wir in eine andere Gegend. Nachdem ich anderthalb Jahre lang Michael gewesen war, Overalls getragen und mit Feuerwehrmännern gespielt hatte, wurde ich plötzlich Michelle, trug Kleider und spielte mit Puppen. Ich kann mich erinnern, daß mich das sehr durcheinandergebracht hat.«
    Er trank seinen Whisky aus und schenkte sich rasch einen neuen ein.
    »Mal überlegen, ich hab Kortison geschluckt, dann ein Östrogen nach dem anderen. Meine Eltern hätten mich sofort einem korrigierenden Eingriff unterziehen lassen können, aber Mom war eine absolute Perfektionistin. Und da ich alles andere als perfekt war, bestand sie darauf, mich vom besten Chirurgen des Landes behandeln zu lassen, was ein Vermögen kostete. Sie und Dad beschlossen, so lange zu sparen, bis sie es sich leisten konnten. Derweil war ich ein kleines Mädchen mit einer Wölbung in der Unterhose. Ich begriff sehr rasch, daß man seine Geschlechtsteile zu verbergen hatte. Durch die Hormontherapie schrumpfte mein Pimmel ein bißchen, aber ich sah nie wie ein richtiges Mädchen aus. Vor allem, ich fühlte mich nie wie ein Mädchen.«
    Er starrte in seinen Drink.
    »Ich wäre am liebsten gestorben. Das einzige, was mich am Leben erhielt, war Kelley. Gott, wie ich sie liebte. Ich war ein Monster, und sie war perfekt. Ein perfektes kleines Mädchen mit einem perfekten kleinen Körper. Sie verhielt sich auch wie ein kleines Mädchen … etwas, das ich nie hingekriegt hab. Zum Beispiel schrie sie, wenn sie Spinnen oder Würmer sah.« Er hob seine Stimme um mindestens eine Oktave: »Mitchy, Mitchy, mach es tot, mach es tot!«
    Er lachte.
    »Ich war ihr Insektenkiller. Kell lief ständig hinter mir her und hat mich auf jeden gehetzt, der sie gezankt hat. Alle wußten, daß Kelleys Schwester niemandem etwas durchgehen ließ.«
    Er rieb sein Gesicht mit den Händen.
    »Natürlich wurde während der Pubertät alles schlimmer. Ich hab meine Medikamente nicht mehr regelmäßig genommen, weil ich haßte, wie ich mich danach fühlte – schwach und launisch. Sobald ich mit den Medikamenten schlampte, begann ich mich zurückzuentwickeln – Haare an den Beinen, Flaum im Gesicht, eine tiefere Stimme. Es ging so langsam, daß die Leute es zuerst gar nicht merkten. Nach außen hin verwandelte ich mich nur in ein richtig häßliches Mädchen. Was das Ganze zu einem echten Albtraum machte, war, daß ich anfing, mich für Mädchen zu interessieren. Der Sportunterricht war ein schlechter Witz – ich, wie ich all die nackten Mädchen anschaute und unter dem Handtuch einen Ständer kriegte.«
    Betretenes Schweigen.
    »Ich hatte keinen einzigen Freund auf der Welt außer Kelley«, sagte Ness schließlich. »Ich war ein verdammter Freak. Aber ich konnte Spagat machen wie kein anderes Mädchen.« Er lachte. »Die ganzen tollen Mädchen waren stinksauer, als ich Cheerleader wurde. Natürlich konnten sie nicht laut lästern, denn ich war nicht nur stark, sondern auch ziemlich fies. Wenn ein Mädchen mir oder meiner Schwester dumm kam, hab ich sie mir vorgeknöpft. Sie wußten, daß ich es ernst meinte.«
    Er lachte leise.
    »Die Freunde der Mädels haben versucht, mich einzuschüchtern – mich geschubst, geschlagen, mich an den Haaren gezogen. Dann bin ich auf sie drauf und hab sie ordentlich verdroschen. Die Typen haben nicht richtig zugeschlagen, weil sie mich ja für ein Mädchen hielten. Deshalb haben sie ihre ganze Energie darauf verschwendet, meine Schläge abzuwehren. Bis ihnen klar wurde, daß ich nicht wie ein Mädchen kämpfte, hatte ich sie bereits ziemlich fertiggemacht. Sie haben nie gewagt, mich zu verpetzen – das wäre zu peinlich gewesen. Selbst ich hatte einige wenige Sternstunden.«
    Bei der Erinnerung daran lächelte er erneut.
    »Schließlich ließen mich alle einfach links liegen. Das

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