Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
Marge schlug mit der Faust gegen den Schreibtisch. »Ich werde an der Sache dran bleiben.«
»Solltest du aber besser in deiner Freizeit tun, Detective«, sagte Hollander. »Ich hab mir erlaubt, dir einen neuen Fall aufs Auge zu drücken. Eine junge Frau wurde am hellichten Tag in der Tiefgarage eines Einkaufszentrums überfallen. Man hat ihre Personalien aufgenommen und sie dann nach Hause geschickt. Ich hab mich mit ihr in Verbindung gesetzt und schon mal mit dem Papierkram angefangen. Sie ist total verängstigt, und ich hatte Mühe, überhaupt an sie ranzukommen. Sie ist sofort drauf angesprungen, als ich sie fragte, ob sie einen weiblichen Detective wollte. Du solltest vermutlich noch vor dem Wochenende mit ihr reden. Ich nehm dir dafür deine beiden Jugendlichen ab.«
Marge ließ sich auf ihren Stuhl fallen und stützte das Kinn in die Hände.
In dem Moment stöhnte Decker laut auf und reichte ihr einen Zettel mit einer Nachricht. »Ich fing gerade an zu glauben, ich hätt’s hinter mir«, sagte er.
»Sun Valley Pres«, sagte Marge. »Lilah ist also offenbar noch nicht verlegt worden. Rufst du sie zurück?«
»Was bleibt mir denn anderes übrig?«
»Du kannst es bis Montag aufschieben.«
»Könnte ich. Und dann bringt sie sich am Wochenende um, und ich fühl mich für den Rest meines Lebens schuldig.« Er nahm Marges Telefon und wählte die Nummer, die auf dem Zettel stand. »Ich hasse das.«
Marge klopfte ihm sanft den Rücken. »Ist es nicht lästig, ein Gewissen zu haben?«
»Verdammt, es klingelt tatsächlich«, sagte Decker. »Vielleicht knallt sie mir ja den Hörer auf.«
Lilah meldete sich mit Hallo. Ihre Stimme war tief und sexy. Decker merkte, wie sich ihm der Magen verkrampfte. »Lilah, hier ist Detective Sergeant …«
»Meine Mutter hat mich vor knapp zehn Minuten angerufen! Wissen Sie, was sie mir erzählt hat?«
»Lilah …«
»Sie hat mir erzählt, Sie hätten sie zum Verhör auf die Polizei bringen lassen!«
»Li …«
»Sie hat mir erzählt, daß es von Presse nur so wimmelte. Die haben sie fotografiert, als sie in einem Polizeiauto saß. Und sie hat mir erzählt, Sie hätten ihre Wohnung auseinandergenommen.«
»Wir hatten einen Durchsuchungsbefehl …«
»Um eine Möglichkeit zu finden, sie zu ruinieren …«
»Überhaupt nicht …«
»Daß Sie Lügen über sie verbreitet haben!«
»Ich hab gar nichts verbreitet …«
»Lügen über sie, Lügen über mich, Lügen über Kingston!«
»Lilah …«
»Und dann hat sie noch gesagt, Sie hätten behauptet, ich hätte ihren Schmuck gestohlen. Haben Sie das gesagt, Peter?«
»Lilah …«
»Ich hab sie noch nie so wütend erlebt! Sie war außer sich! Hat getobt und geschrien!«
»Es ist nicht unsere Absicht …«
»Erzählen Sie mir doch keinen Müll! Sind Sie darauf aus, den guten Namen meiner Mutter zu ruinieren?«
»Wir wollten …«
»Augenblick mal, Peter. Ich habe Besuch bekommen.«
Decker hörte ein Murmeln im Hintergrund.
»Ich muß jetzt Schluß machen, Peter.« Ihre Stimme war plötzlich zuckersüß. »Mein lieber Bruder John ist hier«, schnurrte Lilah. »Mein Gott, ich hab ihn eine Ewigkeit nicht mehr gesehen! Er hat mir Orchideen mitgebracht, der Gute.«
Also war der gute Bruder gekommen. Wollte er sein Gewissen entlasten, weil er Lilah nicht besucht hatte, als sie angeblich vergewaltigt worden war? Oder hatte Davida es irgendwie geschafft, den armen Kerl als Ersatz für Kingston in die Familie zu locken? Zum Teufel damit, sagte Decker zu sich selbst. Das war alles nicht sein Problem. »Viel Spaß mit Ihrem Besuch, Lilah.«
»Sie haben Mutter als absolute Idiotin dastehen lassen.«
»Das war unbeabsichtigt«, sagte Decker.
»Das mag zwar sein, aber Sie haben es trotzdem getan!«
Plötzlich fing sie an zu kichern. »Gott, es ist wunderbar, die alte Zicke leiden zu sehen. Machen Sie weiter so, Peter!«
Sie hängte ein. Decker ebenfalls.
34
Es war niemand im Haus, aber der Tisch war gedeckt – gestärktes weißes Leinen, feines Porzellan, Silberbesteck und hochstielige Kristallgläser. Vor seinem Teller lagen zwei zopfförmige Weißbrote unter einem dunkelblauen Samttuch, das mit Silber- und Goldfäden verziert war. Ein Tisch, würdig eines Königs, aber für ihn bestimmt.
Er duschte sich rasch und rasierte sich. Als er aus dem Bad kam, war das Haus immer noch leer. Wo waren sie alle?
Er lauschte und hörte draußen ein Kläffen. Er ging zur Hintertür und fand Rina, die auf der Terrasse saß. Sie trug
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