Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
noch nicht behauptet, mit übernatürlichen Fähigkeiten gesegnet zu sein.« Sie lachte dumpf vor sich hin. »Aber ich liebe sie so sehr. Von meinen vier Kindern ist sie mir am ähnlichsten, deshalb ist es wohl natürlich, daß ich sie bevorzuge. Ich hab mir so gewünscht, daß sie Schauspielerin wird und in meine Fußstapfen tritt. Aber man kann eben nicht vorhersagen, wie Kinder sich entwickeln, Detective.«
Decker antwortete nicht. Sie gingen mehrere Sekunden schweigend nebeneinander her.
»Was für ein Trauma!« sagte Davida schließlich. »Für alle von uns! Sergeant, ich hätte wirklich gern meinen sogenannten Müll zurück. Darauf müssen es die Diebe einfach abgesehen haben. Die arme Lilah. Sie war eben zur falschen Zeit am falschen Ort. Aber sie scheint ja nicht so schlimm verletzt zu sein, oder?«
»Zumindest äußerlich nicht.«
»Das Äußere ist das einzige, was zählt, lassen Sie sich das von mir gesagt sein, junger Mann.« Sie senkte ihren Schleier. »Pech hat man immer wieder, aber solange man dabei gut aussieht, was soll’s? Sehen Sie mich an. Keiner weiß genau, wie alt ich bin. Und ich möchte, daß das auch so bleibt.«
Wenn Ihnen das einen ruhigen Schlaf beschert, Lady, dachte Decker. »Ms. Eversong, was wissen Sie über die Memoiren Ihres verstorbenen Mannes?«
»Nur daß Lilah sich ein völlig falsches Bild von ihrem Vater macht und den Wert der Memoiren total übersteigert. Also ich bin sicher, daß man auf dem freien Markt fünf- bis zehntausend Dollar dafür bekommen könnte …«
»Lilah glaubt, sie könnte sie für dreihundertausend …«
»Das ist Unsinn. Aber warum sollte man ihre Illusionen zerstören? Vergessen Sie die Memoiren. Konzentrieren Sie sich auf meinen Schmuck. Ich besitze, wie gesagt, noch andere Stücke, aber mir liegt wirklich viel an dieser Brosche.«
»In welcher Größenordnung bewegt sich das Ganze?«
»Oh, insgesamt vielleicht eine Million. Die Brosche ist das teuerste Stück. Sie allein ist eine Viertelmillion wert. Das andere summiert sich so kleckerweise. Zwanzigtausend hier, dreißig da.«
»Ms. Eversong, besitzen Sie die Kombination zu Lilahs Safe?«
»Nur zum äußeren Safe«, sagte Davida. »Da wurde der Schmuck aufbewahrt.«
»Kennt noch jemand die Kombination zum äußeren Safe?«
»Irgendwer muß sie ja offensichtlich gekannt haben.«
»Haben Sie die Kombination irgendwem gegeben?«
»Nein.«
»Kennen Sie die Kombination zum inneren Safe, Miss Eversong?«
»Das, junger Mann, ist einzig und allein Lilahs Angelegenheit.«
»Und dort hatte sie auch die Memoiren?«
»Ich hab keine Ahnung, was sie da vergraben hatte.«
Decker dachte einen Augenblick nach. Der Safe war sauber geknackt worden – ein absolut professioneller Einbruch. Trotzdem hatte das Verbrechen etwas sehr Amateurhaftes an sich. Profis vergewaltigen und verwüsten nicht. Sie bevorzugen schnelle Jobs – ohne Komplikationen. Also hatte vermutlich jemand Arschlöcher angeheuert – Anfänger – und ihnen die Kombination gegeben. Wenn nun diese Stümper nur den Auftrag hatten, den Schmuck aus dem Safe zu rauben, warum sollten sie dann die Memoiren mitgenommen haben? Dazu hätten sie eine weitere Kombination knacken müssen – wenn man davon ausging, daß Lilah die Memoiren im inneren Safe aufbewahrte. Also schien es plausibler, daß diese Stümper angeheuert worden waren, um die Memoiren zu stehlen. Als sie den Schmuck sahen, nahmen sie ihn als nette Beigabe mit. Auch wenn Davida auf dem Gegenteil beharrte, wollte Decker vorläufig die Möglichkeit nicht ausschließen, daß die Memoiren das eigentliche Ziel des Einbruchs gewesen waren.
»Wissen Sie, was in den Memoiren Ihres verstorbenen Mannes steht?«
»Absolut nicht. Ich hab sie sogar noch nie gesehen. Angeblich sind sie aus Oskars Besitz direkt in Lilahs Safe gewandert. Hat Lilah Ihnen von Oskar Holtz erzählt?«
»Er war ein guter Freund Ihres verstorbenen Mannes?«
»Ein lieber Junge, der kleine Oskar. Nun ist er fort.« Sie seufzte. »Sie sind alle fort. Nur ich bin noch übrig. Ich habe sie alle überlebt.« Sie lächelte. »Gute Gene.«
»Ms. Eversong, wie haben Sie das gemeint, als Sie sagten, daß die Memoiren angeblich aus Oskars Besitz direkt in die Hände Ihrer Tochter gelangt sind?«
»Ich will nicht behaupten, daß sie nicht existieren. Ich will nur sagen, daß Lilah eine sehr lebhafte Phantasie hat. Vor einem Jahr erzählte mein Sohn mir plötzlich von der Existenz dieser angeblichen Memoiren. Vielleicht
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