Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
hat sie sich ebenso ein Bild im Kopf davon gemacht, wie sie sich ihre Angreifer vorgestellt hat.«
Decker schwieg.
»Gehen Sie auf ihren Blödsinn ein, wenn Sie wollen. Aber nehmen Sie den Diebstahl von meinem Schmuck ernst.«
»Das tue ich. Deswegen wollte ich ja mit Ihnen reden.«
Sie waren im Foyer angekommen und gingen zu den Aufzügen. Davida ließ Deckers Arm los und drückte den Knopf nach unten.
»Ich werde zwanzig Minuten auf Sie warten, mein hübscher junger Freund im zerknitterten Anzug. Danach werden Sie keine Gelegenheit mehr haben, mit mir zu reden, sondern müssen sich mit meinem Versicherungsmakler auseinandersetzen.« Die Fahrstuhltür ging auf, und Davida trat hinein. Als sich die Türen schlossen, sagte sie: »Ciao.«
»Ist sie nicht unglaublich, diese Frau?«
»Alles in Ordnung, Lilah?«
»Ich bin wütend! Aber eigentlich hab ich auch nicht mehr von ihr erwartet. Und von Freddy auch nicht. Er ist genauso zum Verzweifeln, nur auf andere Art. So schwach. Ich hab ihn ausdrücklich gebeten, Mutter nichts zu sagen. Und was macht er?«
Sie nahm ein Make-up-Glas und warf es gegen die Wand. Es zerbrach nicht, sondern prallte nur ab und landete auf dem Boden.
Einen Augenblick herrschte Schweigen.
»Heben Sie das auf, Peter. Vielleicht könnt ich’s ja doch gebrauchen.«
Er zögerte, weil er sich über ihre Herumkommandiererei ärgerte. Doch dann dachte er daran, was sie durchgemacht hatte, und tat ihr den Gefallen. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. »Ihre Mutter hatte also Schmuck in Ihrem Safe liegen.«
Sie starrte ihn wütend an. »Die … waren … nicht … hinter … dem … Schmuck … her.«
»Würden Sie mir bitte einen Augenblick zuhören, Lilah?«
Schlagartig senkte sie den Blick. »Reden Sie weiter. Ich hör zu.«
»Mal angenommen, Sie haben recht«, sagte Decker. »Die Kerle waren also nicht hinter dem Schmuck her. Sie hatten es auf die Memoiren abgesehen. Aber sie fanden den Schmuck Ihrer Mutter. Und nahmen ihn mit. Weil er wertvoll ist. Vielleicht vermuteten sie, daß noch mehr Schmuck im Haus ist und haben deshalb Ihr Zimmer durchwühlt.«
Lilah war still. »Vielleicht.«
»Haben Sie noch andere Wertsachen, die Sie nicht im Safe aufbewahren?«
»Etwas Bargeld – aus der Kasse an der Rezeption. Aber was spielt das schon für eine Rolle? Wenn ich es im Safe gehabt hätte, hätten sie es doch auch gestohlen?«
»Das stimmt. Haben Sie gestern Ihren Safe geöffnet?«
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Natürlich bin ich sicher. Warum?«
»Weil wir Fingerabdrücke von Ihnen an der Zahlenscheibe gefunden haben.«
»Na und?«
»Ihr Hausmädchen sagte, sie hätte den Safe gestern abgestaubt. Dann hätte sie doch wohl alle Fingerabdrücke weggewischt.«
»Mercedes ist nicht so gründlich«, sagte Lilah. »Ich glaube, sie saugt im Schrank, aber Staubwischen? Das kann man wohl vergessen. Ich hab schon Spinnweben in den Ecken gefunden. Aber warum sollte ich ihr deswegen ein schlechtes Gewissen machen? Als Sie sie gefragt haben, ob sie im Schrank Staub gewischt hat, hat sie sich vermutlich unter Druck gesetzt gefühlt und gelogen.«
»Okay«, sagte Decker. »Der Neugier halber, wie viel Bargeld aus der Rezeptionskasse hatten Sie im Haus?«
»Nur etwa tausend Dollars.«
Nur.
»Und dann hab ich immer noch etwas Geld für unvorhergesehene Ausgaben in der untersten Schublade. Fünfhundert oder so. Ich kann ja noch verstehen, daß sie die Schubladen durchwühlt haben, aber warum mußten sie mein Zimmer zerstören – meine schönen handgearbeiteten Möbel –, Stücke, die ich mir jahrelang zusammengesucht habe? Warum mußten sie das Glas zerschlagen, meine Lampen kaputt machen … mich vergewaltigen … warum?«
Warum? Weil Verbrechen gefährlich ist, und was gefährlich ist, ist aufregend. Verbrechen ist eine beschissene Adrenalindröhnung, die direkt ins Blut geht. Diese Arschlöcher sind dann wie aufgedreht, Testosteron schießt durch ihren Kreislauf, Endorphine strömen in ihr Gehirn. Sie spüren keinen Schmerz. Sie vergewaltigen. Sie töten. Sie zerstören. Und sie genießen jede Sekunde. Sie werden so verdammt high von ihren eigenen Hormonen, daß sie genauso süchtig nach Verbrechen werden wie nach irgendeiner Droge.
»Da draußen laufen eine Menge gestörter Typen herum«, sagte Decker. »Ich geb mir verdammt große Mühe, diese Kerle zu finden.« Er nahm die Blätter mit den Fotos der aktenkundigen Sexualstraftäter. »Von denen erkennen Sie also keinen
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