Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
eine Art, die Leute gegeneinander aufzuhetzen.« Er sah Marge in die Augen. »Das war also die Geschichte von Lilah und Perry. Jetzt sind Sie dran. Was ist mit meiner Schwester los? Mir liegt immer noch viel an ihr, auch wenn sie nichts mehr mit mir zu tun haben will.«
»Es tut mir leid, daß ich Ihnen das sagen muß, Dr. Merritt. Lilah wurde letzte Nacht überfallen …«
Merritt fuhr hoch. »O Gott, nein!«
Marge stand ebenfalls auf. »Es wird schon alles wieder gut, Doctor.«
»Nein!« Er begann auf und ab zu gehen. »Nein, das kann nicht … das ist unmöglich! Was um alles in der Welt ist passiert?«
»Ich weiß nicht …«
»Wer hat ihr weh getan? Haben Sie Perry im Verdacht? Haben Sie mich deshalb nach ihm gefragt? Ich bring ihn um …«
»Doctor …«
»Ich bring ihn um!«
»Ich weiß überhaupt nichts über diesen Perry, Doctor«, sagte Marge. »Nur was Sie mir gesagt haben …«
»Aber Sie vermuten …«
»Ich vermute gar nichts …«
»Wo ist meine Schwester?« fiel Merritt ihr ins Wort.
»Nach meinen Informationen im Sun Valley Memorial.«
»Ich muß sofort zu ihr.«
»Wie Sie meinen!« Marge zögerte, dann sagte sie: »Und was ist mit Ihrer Mutter?«
»Was mit meiner Mutter ist?« ereiferte sich Merritt. »Meine Mutter kann verdammt noch mal warten – das ist mit meiner Mutter!«
Decker wußte, daß er den Anruf nicht unter Zeitdruck machen sollte. Davida hatte ihm zwanzig Minuten eingeräumt. Doch der Münzfernsprecher in der Eingangshalle des Krankenhauses war frei, wartete förmlich darauf, benutzt zu werden. Und erfahrungsgemäß würde das Gespräch eh nur wenige Minuten dauern.
Mach schon, Deck. Trau dich.
Er schob seine Telefonkarte in den Schlitz und wählte aus dem Kopf die Nummer in New York. Wie es das Schicksal wollte, war sie zu Hause. Ihr Hello klang atemlos.
»Hi. Stör ich dich?«
»Oh, hi, Dad. Ich hab in einer Stunde eine Prüfung. Ich versuch mir grad noch in letzter Minute was einzupauken.«
»Viel Glück. Du wirst es bestimmt schaffen.«
»Yeah, ich hoff’s.«
Sie klang, als ob sie mit den Gedanken woanders wäre. Immer, wenn sie mit ihm sprach, war sie mit den Gedanken woanders.
»Ich hab dich lieb, Kleines.«
»Ach, Dad?«
»Was denn?«
»Hast du in letzter Zeit mit Mom gesprochen?«
»Nein. Warum?«
»Ach nichts. Ich hab mich bloß gefragt, ob … ist nicht wichtig.«
»Was ist nicht wichtig?«
»Ich möchte da jetzt wirklich nicht weiter drüber sprechen. Schöne Grüße an deine Familie.«
»Cindy, erstens, du bist auch meine Familie. Zweitens, wenn du etwas ansprichst, fände ich es wirklich gut, wenn du das Gespräch auch zu Ende führen würdest.«
»Das ist wirklich super, Dad. Mich kurz vor einer Prüfung unter Druck zu setzen. Tausend Dank!«
Decker atmete heftig aus. »Du hast ja recht. War ein beschissener Zeitpunkt. Tut mir leid.«
Einen Augenblick sagte niemand etwas.
»Es tut mir auch leid, Daddy. Ich weiß, daß ich in letzter Zeit schwierig war. Manchmal merk ich ja auch was.«
»Du warst schon ganz okay.«
»Nein, war ich nicht, aber trotzdem nett, daß du das sagst. Kann ich dich in ein paar Tagen zurückrufen? Ich bin jetzt wirklich nervös.«
»Schatz, du kannst mich anrufen, wann du willst, vierundzwanzig Stunden am Tag. Ich bin immer für dich da.«
Ihre Stimme wurde kleinlaut. »Danke.«
»Ist wirklich alles in Ordnung, Cindy?«
»Mir geht’s gut.«
Dann brach sie in Tränen aus.
»Kann ich irgendwas für dich tun, Honey?«
»Nein.« Sie schniefte. »Ich sollte jetzt wirklich los.«
»Hab dich lieb.«
»Ich hab dich auch lieb, Daddy. Tschüs.«
Das Freizeichen ertönte. Das einzige, was ihm diese Aktion gebracht hatte, war ein Knoten im Magen. Er sah auf seine Uhr. Das Gespräch hatte genau achtundvierzig Sekunden gedauert. Wie gehabt.
11
Decker wollte gerade nach der Autotür greifen, als diese aufflog und ihm fast gegen die Rippen geknallt wäre. Er stolperte etwas zurück, dann forderte ihn eine verführerische Stimme auf einzusteigen. Er rutschte auf den Rücksitz der Limousine und schloß die Tür. Davida hatte ihren Schleier abgenommen. Die Trauerphase war offensichtlich vorbei.
»Darf ich Sie Peter nennen?« fragte Davida. »So nennt Lilah Sie doch auch, oder?«
Decker, der sich bemühen mußte, die Augen nicht zu verdrehen, antwortete mit Ja.
»Peter.« Davida legte eine Hand auf sein Knie. »Für mich sind Sie eher ein Pete.«
Wie auch immer sie ihn nennen wollte, es juckte ihn in den
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