Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
zu seiner ursprünglichen Religion zurückgekehrt.
»Nun ja, Ihr Rabbi Sowieso hatte in diesem Fall recht«, sagte Davida. »Man muß sich zuallererst um sich selbst kümmern.«
»Sie haben die zweite Zeile des Zitats ausgelassen, Ms. Eversong. Hillel hat nämlich auch gesagt: ›Aber wenn ich nur für mich da bin, wer bin ich dann?«‹
Davida sah ihn mit säuerlicher Miene an, die sich langsam in ein Grinsen verwandelte. »Wer ich bin? Eine biestige, berühmte, reiche alte Frau, das bin ich. Sind Sie hier, um tote Rabbis zu zitieren, Sergeant, oder um meinen Schmuck zu finden?«
»Waren noch weitere Stücke in dem Safe?«
»Mal überlegen. Wir haben die Ohrringe, die Perlenketten, die Brosche. Hab ich Ihnen schon von dem Diamantarmband erzählt?«
»Nein.«
»Ein schweres, geflochtenes Goldarmband, mit Diamanten besetzt. Außerdem ein Armband aus Rubinen und Smaragden, passend zu den Weihnachtsohrringen. Und natürlich noch einige weniger wertvolle Stücke. Einen Ring mit einem Amethyst, von kleinen länglichen Steinen umgeben, und eine Peridotbrosche, die mit der Smaragdbrosche identisch ist. Manchmal will ich sie tragen, aber mir ist nicht wohl dabei, mit einem fünfkarätigen kolumbianischen Smaragd herumzulaufen. Deshalb hab ich mir die Brosche aus Peridot und unechten Diamanten nachmachen lassen.«
Sie nahm seine Hand und tätschelte sie.
»Finden Sie meinen Schmuck, Peter. Ich werde dafür sorgen, daß Sie mehr als reichlich für Ihre Mühe entschädigt werden.«
Decker sah auf seine Hand, die sie mit beiden Händen hielt. Wie die Mutter, so die Tochter. Vorsichtig befreite er sich. »Mit meiner Arbeit zufrieden zu sein ist die einzige Entschädigung, die ich brauche. Ich würd gern noch mal kurz auf die Memoiren …«
»Gott, sind Sie nervig.« Sie starrte ihn an. »Was denn?«
»Sie wußten also davon, aber haben sie nie gesehen.«
»Ja, ja, das habe ich Ihnen doch alles schon gesagt. Ich hab keine Lust, mich zu wiederholen.«
»Wissen Ihre anderen Kinder von den Memoiren?«
»Woher soll ich das denn wissen? Fragen Sie sie doch!«
»Wer könnte Ihrer Meinung sonst noch davon wissen?«
»Weiß ich nicht und interessiert mich auch nicht. Unsere Zeit ist abgelaufen, Sergeant.«
Decker rückte ein Stückchen näher an die alte Frau heran. Er konnte ihren Schweiß riechen, vermischt mit dem Geruch eines viel zu süßen Parfüms, und sehen, wie die Poren durch ihr weißes Make-up durchschienen. »Nur noch ein paar Minuten? Bitte.«
Davida fuhr mit einem spitzen Fingernagel über ihr Kinn, dann ließ sie die Hand in den Schoß fallen. »Also gut, machen Sie weiter! Sie haben mir eh schon den Morgen versaut.«
»Sie sagen also, Sie haben nicht die geringste Ahnung, was in den Memoiren Ihres verstorbenen Mannes steht.«
»Das ist richtig. Hermann war ein total von sich eingenommenes Genie. Er hat nie mit mir oder mit jemand anderem über seine Kunst gesprochen. Ehrlich gesagt, ich war auch gar nicht an seiner Kunst interessiert, mir ging’s darum, wie er im Bett war. Und das war, wie ich mit Bedauern zugeben muß, nicht gerade reif für einen Oscar.«
»Oh?«
»Ja, oh ?« Davida starrte ihn an. »Möchten Sie die schmierigen Details wissen?«
»Möchten Sie mir die denn erzählen?«
»Er war ein Säufer, deshalb fickte er hundsmiserabel. Wie gefällt Ihnen das?«
»Warum haben Sie ihn dann geheiratet?«
Davida zuckte die Achseln. »Aus einer Laune heraus. Außerdem … hat mich sein Ruf geblendet. Selbst ich war nicht immun gegen das, was andere dachten.«
»Glauben Sie, er könnte negative Dinge über Sie geschrieben haben, Ms. Eversong?«
Davida dachte über die Frage nach.
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß Hermann über seine billigen kleinen Affären geschrieben hat – oder über meine billigen kleinen Affären, wenn Sie so wollen. Affären hat man einfach, wenn man das Glück hat, ein kreativer Mensch zu sein. Ich persönlich vermute, daß Hermann ausschließlich über seine Kunst geschrieben hat. Sicher hat er ziemlich unfreundliche Dinge über einige seiner Zeitgenossen geschrieben. Hermann war sehr, sehr kritisch. Aber ich glaube kaum, daß irgendein erzürnter alter Regisseurskollege in Lilahs Safe einbricht und die Memoiren stiehlt, bloß um zu verhindern, daß bekannt wird, was Hermann möglicherweise vor dreißig Jahren über ihn geschrieben hat.« Sie hielt einen Augenblick inne. »Aber ich hab schon verrücktere Sachen erlebt. In diesem Metier gibt es reichlich
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