Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
wieder auf das Bett. Oh, du süßer Schlummer, selbst wenn es nur ein Nickerchen war. In einer halben Stunde mußte er den späten Nachmittagkurs leiten. Das war nur leichte Aerobic. Kein loggen, Springen oder Hüpfen, bitte. Nur ganz viel Herummarschiererei. Eins, zwei, drei, vier; eins, zwei, drei, vier; lauter kleine Soldaten in Habtachtstellung. Stramme Körper in pechschwarzen Trikots und Strumpfhosen – ja, Mama, ja!
»Geht’s dir gut, Mike?«
Ness griff nach Kelleys Hand. »Geht’s dir gut?«
»Mir geht’s gut, wenn’s dir gutgeht.«
»Mir geht’s gut … ganz großartig! Und mach dir keine Sorgen, Kell!« Er merkte, wie er grinste. »Ich garantiere dir, daß die Proben nicht übereinstimmen werden!«
Das Bridge Emporium lag über einem Supermarkt. Decker lief auf der Suche nach einer Treppe um das Gebäude und fand den Eingang schließlich auf der Rückseite neben dem Müll. Es war eine verzogene Tür, auf der in schwarzen Buchstaben EMPORIUM stand. Hinter der Tür lag eine Treppe, die nur von einer einzelnen nackten Glühbirne beleuchtet wurde.
Der Bridgeclub mußte ursprünglich ein Lagerhaus gewesen sein. Es war ein etwa dreihundert Quadratmeter großer Raum, dessen Fußboden mit abgenutzten, ausgeblichenen Fliesen ausgelegt war. Helles Neonlicht fiel auf Tische und Stühle, an denen Leute saßen, die die vor ihnen ausgebreiteten Karten betrachteten. Es war heiß. Ein paar Ventilatoren drehten sich phlegmatisch und wirbelten die nach schalem Zigarettenrauch riechende Luft ein wenig durcheinander.
Decker sah sich nach jemandem um, der gerade nicht Bridge spielte, und entdeckte rechts in der Ecke zwei Jugendliche, die irgendwas mit Würfeln spielten. Er konnte hören, wie die Würfel leise auf eine Filzunterlage fielen. Als er näher kam, sah er, daß sie Backgammon spielten. Der jüngere von beiden hatte starke Akne. Eigentlich sah er gar nicht schlecht aus, aber offenbar gab er sich überhaupt keine Mühe mit seinem Äußeren. Der ältere war schon Anfang bis Mitte Zwanzig, doch der unbeholfene Gesichtsausdruck, die Klamotten, die für seinen mageren Körper eine Nummer zu groß waren, die Brille mit dem schwarzen Gestell, das ihm immer wieder die Nase herunterrutschte, erinnerten eher an einen linkischen Jugendlichen. Er schob die Brille nach oben und betrachtete das Spielbrett.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte er schließlich.
»Ich suche Perry Goldin«, sagte Decker.
»Der spielt noch.« Der Mann mit der Brille warf zwei Sechsen – einer der besten Würfe, die in dem Spiel überhaupt möglich waren. Keiner der beiden Spieler zeigte eine Reaktion. Der Ältere setzte seine Steine in strategisch günstige Positionen. »Er ist an seinem üblichen Platz.«
»Was ist sein üblicher Platz?«
»Eins. Nord«, sagte der Jüngere.
»Tisch eins, Nordposition?«
»Yep.« Der Jüngere schüttelte seinen Würfelbecher und ließ die Würfel auf die Filzunterlage purzeln. Mit dem Wurf waren seine Steine schutzlos dem Gegner ausgeliefert. Er runzelte die Stirn und blickte auf. »Der nimmt erst nach dem Spiel neue Termine an. Sie müssen sich genauso anstellen wie alle anderen.«
Decker zog seine goldene Dienstmarke hervor. »Ich bin Detective.«
Das ließ sie aufhorchen, allerdings nur ein wenig. »Weswegen wird Goldin denn gesucht?« fragte der Ältere.
»Betrügerisches Kartenspielen«, antwortete Decker.
Der mit der Brille ließ die Würfel rollen und sagte: »Wer dumm fragt …«
Decker lächelte und sah auf seine Uhr. »Wie lange geht das Spielchen denn noch?«
Der Jüngere sah ebenfalls auf die Uhr. »Höchstens noch ein paar Minuten.«
»Setzen Sie sich doch«, bot der Ältere an. »Spielen Sie?«
»Genug, um zu wissen, daß ich, wenn ich wetten wollte, auf Sie setzen würde.«
Der Ältere würfelte lächelnd einen weiteren Pasch. Der Jüngere schob das Brett beiseite. »Wenn ich dich nicht kennen würd, Dave, würd ich schwören, daß du präparierte Würfel benutzt.«
»Das ist dein Brett, Steve«, sagte Dave gelassen.
»Stimmt.«
Steve sah Decker an. »Möchten Sie ’ne Runde spielen?«
Decker schüttelte den Kopf. »Ich hab gehört, Goldin ist ein richtiger Bridgefreak.«
Dave rückte seine Brille gerade. »Perry ein Freak? Der macht bestimmt hunderttausend im Jahr. Und seine Frau holt noch mal siebzig- bis achtzigtausend rein. Ich spar mir meine Tränen für die wirklich Bedürftigen.«
»Er macht hunderttausend im Jahr mit Bridge spielen?«
»Mit privaten Turnieren,
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