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Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Titel: Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Ausdruck wie bei meinem Mann. In den Augen. Jemandem, der diesen Ausdruck hat, vertraue ich. Sie sind durch die Hölle gegangen, nachon?«
    »Nachon«, antwortete Decker.
    Orit hielt inne. »Sie wollen den Jungen helfen. Ich weiß nicht, wo sie sind. Aber ich sage Ihnen folgendes: Wenn sie bei meinen Eltern sind, sagen meine Eltern es mir nicht.«
    Decker warf Marge einen Seitenblick zu. »Sie glauben, Ihre Eltern versuchen, die Jungen zu schützen?«
    »Ihr Sohn und ihre Schwiegertochter wurden ermordet. Sie sagen mir, die Jungen sind auf der Flucht, rennen um ihr Leben. Also, was glauben Sie?« Orit warf ihre Zigarette zu Boden und zertrat sie mit ihrem hohen Absatz. »Wenn die Jungen bei ihnen sind, ja, dann versuchen sie sie zu schützen. Jedenfalls verraten sie mir nichts. Vielleicht wollen sie nicht, daß ich es weiß. Vielleicht denken sie, ich hätte Angst, Angst um meine Kinder. Aber mein Mann und ich, wir schaffen das. Ich war auch beim Militär, wissen Sie.«
    »Was war Ihre Aufgabe?« fragte Decker.
    »Schreibtischarbeit«, sagte Orit. »Aber ich habe die Grundausbildung gemacht. Ich weiß, wie man eine Uzi bedient. Wenn mir hier einer komisch kommt, dem schieß ich den Kopf ab.«
    Marge und Decker sahen sich kurz an, und Decker wiederholte: »Sie sind also ganz sicher, daß Sie nicht wissen, wo Ihre Neffen sind?«
    »Geben Sie mir ein Chumesch, Mr. Sergeant, dann lege ich meine Hand drauf und lege eine Schwuje darauf ab. Wissen Sie, was eine Schwuje ist?«
    »Ein Schwur«, übersetzte Decker.
    Orit nickte. »Ja, ein Schwur. Ich lege einen Schwur auf die Bibel ab. Sie glauben mir nicht? Geben Sie mir eine Bibel.«
    »Ich glaube Ihnen«, beschwichtigte Decker. »Ich glaube Ihnen, weil ich denke, daß Ihnen Ihre Neffen wirklich am Herzen liegen.«
    Orits Unterlippe zitterte. »Natürlich liegen mir meine Neffen am Herzen. Ich liebe sie.« Tränen strömten ihr über die Wangen und hinterließen schwarze Straßen von Wimperntusche. »Sie sind meine Familie. Ich habe nicht viel Familie. Ich hatte nur meinen Bruder und …«
    Sie ließ sich in einen Sessel fallen und weinte bitterlich. Decker wartete, bis sie sich mit den Fingerspitzen die schwarzen Streifen von den Wangen wischte. Dann sagte Orit: »Warum gehen Sie nicht nach Israel? Wer weiß, was Sie da finden?«
    Es entstand eine lange Pause. Schließlich sagte Marge. »Wollen Sie damit sagen, daß Ihre Neffen dort sind?«
    »Ich sage gar nichts über die Jungen. Ich sage, daß jeder nach Israel geht, um dort etwas zu finden. Vielleicht gehen Sie hin und versuchen Gott zu finden.
    Alle anderen versuchen das auch, warum nicht Sie? Wenn Sie Gott nicht finden, vielleicht finden Sie dann meine Neffen. Und jetzt lassen Sie mich bitte allein. Ich möchte jetzt ein wenig Schalom finden.«

24
    Hannah war ein wunderbares Baby; sie mochte ihren Laufstall. Die Jungs hatten es nie länger als fünf, höchstens zehn Minuten eingesperrt ausgehalten. Dann wurden sie unruhig. Bei Hannah war das anders. Sie saß zufrieden auf ihren nicht mal zwei Quadratmetern, spielte mit ihrem ›Activity Center‹ oder fingerte an ihrem Kullerball herum, der jedes Mal rasselte und klingelte, wenn sie ihm einen Schubs gab. Ab und zu sah das Baby erwartungsvoll zu Rina auf und wartete, daß Mama ihr zulächelte. Rina tat ihr die Liebe und lobte sie kräftig als Dreingabe. Dann wandte sich das Baby glucksend wieder seiner interessanten Tätigkeit zu. Die Bereitwilligkeit, mit der Hannah sich bis zu einer ganzen Stunde selber beschäftigte, schenkte Rina unerwartet viel Freiheit. Sie hatte bisher nicht gewußt, daß man sie in diesem Maße mit Babies haben konnte.
    Weil sie heute mehr Zeit für sich brauchte, öffnete Rina einen Kasten mit bunten Plastikformen. Sie schüttete sie in den Laufstall und sah zu, wie Hannah große Augen machte. Kleine Finger streckten sich nach den Klötzchen, Kegeln und Dreiecken in lauter verschiedenen Farben aus. Hannah lernte, wie man seine Welt in den Griff bekam. Während sich ihre Tochter total fasziniert mit diesem neuen Wunder beschäftigte, nutzte Rina die Gelegenheit und lief zum Schlafzimmerschrank. Auf einer Fußbank stehend, griff sie nach oben und zog einen Koffer aus dem obersten Fach.
    Es war etwas, das sie einfach tun mußte. Solange diese Kinder vermißt wurden, würde Rina keine Ruhe finden.
    Was Rina auf Trab gebracht hatte, war die merkliche Zurückhaltung des Rebbe. Er hatte gemauert, und das war ihre persönliche Einladung, sich einmal

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