Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
im Village umzusehen. Warum sonst hatte er keine Hilfe von Peter haben wollen? Wenn er Honey und die Kinder versteckte, was hatte Honey dann getan, um eine solche Zuflucht zu brauchen?
Rina konnte einfach nicht glauben, daß Honey etwas mit dem Tod ihres Mannes zu tun hatte. Also: Selbst ist die Frau.
Peter würde ihr Schwierigkeiten machen. Er würde sagen, daß es zu viel für ihre Mutter wäre, sich um Hannah zu kümmern. Ihre Mutter war nicht mehr die Jüngste. Hannah brauchte jemanden zum Aufpassen, der viel Energie hatte.
Rina würde antworten, daß es ja nur für drei Tage und zwei Nächte war. Sie hatte Nora engagiert, Hannahs frühere Säuglingsschwester. Nora half gerne aus, solange sie fort war, und sie wußten beide, wie patent Nora war. Und Hannah liebte sie heiß und innig. Aber das Beste überhaupt war, daß ihre Mutter und Nora auch noch wunderbar miteinander auskamen.
Peter würde jammern, was das alles kosten sollte. Zur Beruhigung würde Rina ihm eröffnen, daß sie ein extrem billiges Standby-Ticket für einen Flug von Küste zu Küste ergattert hatte. In New York würde sie bei Verwandten wohnen, die Unterkunft kostete also keinen Cent. Und Jonathan, ein alter Freund und Peters jüngst entdeckter Halbbruder, wollte ihr seinen Wagen leihen. Sie hatte also eine billige Transportmöglichkeit für die Fahrt nach Norden zum Leibbener Village.
Peter würde sagen, es sei gefährlich.
Rina würde damit kontern, daß Jonathan ihr angeboten hatte, mitzukommen, wenn sie Schutz brauchen sollte.
Jonathan als Hilfstruppe mit hineinzuziehen könnte Peter allerdings wütend auf seinen jüngeren Halbbruder machen. Das war das letzte, was Rina wollte, Spannungen zwischen den beiden Männern heraufzubeschwören. Ihre Beziehung war ebenso ungefestigt wie neu. Jonathans Mutter war Peters leibliche Mutter, die ihn zur Adoption freigegeben hatte. Peter hegte keinen Groll dieser Frau gegenüber – sie war bei Peters Geburt noch ein Teenager gewesen aber ihr Verhältnis zueinander war bestenfalls gespannt. Mit zweien seiner Halbbrüder kam Peter gut zurecht.
Und Rina ging ein Risiko ein, wenn sie Jonathan um Hilfe bat.
Aber das hier war etwas, das sie einfach tun mußte. Um der Kinder willen.
Sie legte den Koffer aufs Bett und sah nach Hannah. Das Baby schlug krähend zwei Plastikdreiecke gegeneinander.
Rina zog ihre Schubladen auf und fing an zu packen.
Tug Davidson war puterrot angelaufen. »Das Department soll Geld bereitstellen, damit Sie wohin fahren können?«
»Nach Israel«, erwiderte Decker ruhig. »Das ist ein sehr kleines Land in Asien –«
»Ich weiß, wo Israel liegt, Decker. Spielen Sie hier nicht den Neunmalklugen. Die Antwort heißt nein.«
Davidson richtete den Blick auf seinen Schreibtisch und machte sich an irgendwelchen Papieren zu schaffen. Decker und Marge rührten sich nicht vom Fleck. Schließlich wanderten Davidsons Augen wieder zu ihren Gesichtern zurück. »Das Nein war das Zeichen zu gehen, für Sie beide.«
»Lieutenant, wir könnten für den Tod von zwei halbwüchsigen Jungen verantwortlich werden, wenn wir nicht hinfliegen«, gab Marge zu bedenken.
»Soviel Sie beide wissen, haben wir es vielleicht jetzt schon mit zwei toten halbwüchsigen Jungen zu tun.«
»Und soviel wir wissen, könnten sie genauso gut noch am Leben sein«, vollendete Marge.
»Und soviel wir wissen, Dunn, könnten sie auch ihre Eltern umgelegt haben.«
»Ein Grund mehr, sie zu finden«, nickte Decker. »Wenn sich herausstellt, daß sie unsere Hauptverdächtigen sind, sollten wir sie ausliefern lassen, um sie vor Gericht zu stellen.«
»Das klingt alles absolut logisch, nur haben Sie nicht die geringste Ahnung, wo die Kids sind. Und dann kommen Sie zu mir mit dieser halb garen Theorie, daß Shaul Gold ein Killer ist. Wenn Sie ihn verdächtigen, hätten Sie ihn zur Vernehmung herbringen sollen.«
»Dazu hatten wir zunächst keine Veranlassung«, stellte Marge fest.
»Und jetzt haben Sie die auch nicht«, entgegnete Tug. »Liefern Sie mir ein paar handfeste Hinweise auf den Aufenthaltsort der Jungen, dann reden wir weiter.«
»Die Jungen sind in Israel«, bekräftigte Decker.
»Zeigen Sie mir die Flugtickets, Decker.«
»Wir konnten bisher keine nachweisen –«
»Und werden das vermutlich nie«, unterbrach Davidson ihn roh.
Decker zuckte die Achseln: »Ich glaube, sie sind über Kanada geflogen. Deshalb konnten wir die Tickets bisher nicht zurückverfolgen. In Toronto gibt es eine große
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