Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
lehnte Rina sich gegen die schwere Glastür und drückte sie mit der Schulter auf.
»Was tust du da? Das mach ich schon.« Decker hielt ihr die Tür auf. »Die Ritterlichkeit ist noch nicht vollständig ausgestorben.«
Er trat zur Seite und ließ Rina in die Hotellobby vorgehen. Sie war voller Touristen im Freizeitdress, Pagen, Angestellten und einer Menge Kinder im Badeanzug. Rina schleppte sich müde zur Rezeption und erkundigte sich, ob Nachrichten für sie hinterlassen worden waren. Nichts. Sie hängte sich die Handtasche über die Schulter und legte den Arm um Decker. »Ich habe Hunger.«
»Ich kann den Zimmerservice nicht mehr sehen«, murrte Decker. »Laß uns einfach hier unten essen.«
»Gut. Fleisch oder mit Milch?«
»Das überlasse ich dir.«
»Ich bin für Milch«, sagte Rina. »Schon bei dem Gedanken, nach nur drei Stunden Schlaf Fleisch zu essen, dreht sich mir der Magen um. Außerdem ist mir nach Zwiebelsuppe.«
Sie gingen eine Treppe hinunter und betraten ein Terrassenrestaurant mit weißen Basttischen und -Stühlen unter einem grünen Dach wuchernder Weinreben. Die Sonne schien, die Luft roch wie frisch gewaschen. Sie saßen in einer gemütlichen Ecke, der Tisch war mit weißem Leinen und duftenden Rosen gedeckt. Ein Hilfskellner kam vorbei, goß Wasser in ihre kristallenen Gläser und stellte ihnen ein Körbchen mit krossgebackenem Oliven- und Zwiebelbrot hin. Decker nahm eine Scheibe und bestrich sie mit einer großzügigen Schicht süßer Butter.
»Schön ist das«, sagte er.
»Laß uns so tun, als wären wir zum Urlaub hier.« Rina nahm ein Stück Brot und zupfte die Zwiebeln heraus. »Wie wär’s, wenn wir erst mal nicht mehr über die Arbeit sprechen würden?«
»Großartig.« Decker verputzte sein Brot und nahm sich die nächste Scheibe.
Eine Kellnerin mit rabenschwarzem Haar legte ihnen die Speisekarten vor, und sie beschäftigten sich eine Zeit lang damit. Dann legte Decker seine Karte hin und fragte: »Wie ging’s den Kindern, als du angerufen hast?«
»Sie waren überrascht, daß wir um drei Uhr morgens wach waren. Die Familie war auf dem Weg zum Abendessen im Restaurant, auf Einladung meiner Eltern.«
»Wohin?«
»Zum koscheren Chinesen. Die Jungs hatten Lust auf Hühnchen süß-sauer.«
Die Kellnerin kam an den Tisch, nahm ihre Bestellung entgegen und ging wieder. Decker schaute Rina zärtlich an. »Und wie geht’s dem Baby?«
»Sie ist bester Laune. Allerdings hat Nora erzählt, daß Hannah ziemlich viel ›Mama‹ sagt.«
»Hm-hm.«
»Nicht schlimm.« Rina schüttelte den Kopf. »Wir sind erst zwei Tage weg. Und bald dürften wir wieder zu Hause sein.«
»Rina, wenn du zurückfliegen willst, ich komme hier auch allein zurecht. Der Himmel weiß, daß du mir die Wege geebnet hast. Jetzt würde ich auch so klarkommen.«
Rina biß sich auf die Unterlippe. »Ich krieg Honey Klein und ihre Kinder einfach nicht aus dem Kopf.«
»Wir können nach Honey suchen«, bot Decker an. »Das hängt nur davon ab, wie lange du hierbleiben willst.«
»Ich will nach Hause«, gab Rina zu. »Ich bin erschöpft, und ich vermisse die Kinder. Aber ich will auch Aufklärung. Ich bin hin- und hergerissen.«
»Na ja, jetzt fahren wir jedenfalls erst mal nirgendwohin. Wir haben nicht einmal unsere Pässe.«
»Was glaubst du, wann wir die wiederbekommen?«
»Ich bin sicher, daß du deinen jederzeit zurückbekommen könntest. Was mich betrifft, brauchen sie vielleicht etwas länger, um mich zu überprüfen.«
»Mußt du heute Nachmittag zum Verhör?« fragte Rina.
»Sieht ganz so aus. Kreisman ist noch nicht fertig mit mir.«
»Er traut dir nicht.«
»Ich weiß. Und im Grunde kann ich es ihm nicht übel nehmen. Ich bin erst ein paar Tage da, und schon gehen alle möglichen Bomben hoch –«
»Peter, du hast verhindert, daß die Bursa in die Luft fliegt. Du bist ein Held!«
»Ich werde dir was verraten, Rina. Die Polizei traut Helden nicht über den Weg.«
»Was will er von dir?«
»Meinen Fall mit mir durchgehen, Stück für Stück. Ehrlich gesagt bin ich für ein paar neue Ideen dankbar. Mein Hauptziel ist im Moment, Dov Yalom zu finden. Aber ich hätte auch nichts dagegen, wenn ich Milligan finden könnte.«
»Was ist mit Shaul Gold?«
»Stimmt, den hatte ich ganz vergessen. Wo, zum Teufel, steckt Gold die ganze Zeit? Und warum sucht Milligan nach ihm?«
Rina überlegte, dann sagte sie: »Peter, mir kommt da eine Idee.«
»Schieß los.«
»Was, wenn Yalom Milligans Plan
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