Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
aufgedeckt hat, die Bursa in die Luft zu sprengen? Wäre das kein Grund, ihn lieber tot zu sehen?«
Decker dachte einen Moment nach. »Absolut.«
»Mal angenommen, Milligan dachte, daß Yalom vielleicht seinen Söhnen … oder möglicherweise Gold … von ihrem terroristischen Vorhaben erzählt haben könnte. Könnte das nicht der Grund sein, warum Milligan nach Gold sucht … oder nach den Jungen?«
»Absolut.«
»Also war das vielleicht der Grund, warum Milligan direkt mit Yalom verhandelt hat. Vielleicht hat er sie mit den Plänen für die Bursa erpreßt.«
»Aber du kannst niemanden wegen etwas erpressen, das noch gar nicht passiert ist.«
»Vielleicht hat sie ihn umgebracht, damit sie es verwirklichen konnte. Und vielleicht haben Ariks Söhne davon Wind bekommen und sind deshalb getürmt.«
Decker spielte mit der Zunge in der Backentasche. »Das ließe sich herausfinden. Wenn du interessiert bist, habe ich einen Job für dich, während ich auf dem Polizeirevier bin.«
»Was für einen Job?«
»Zu Gil Yalom gehen … und mit ihm reden.«
»Über was reden?«
»Versuch ihn dazu zu bringen, daß er dir erzählt, was los ist.«
»Wie macht man das?«
Decker zuckte die Achseln. »Das läßt sich nicht so genau sagen. Jeder Mensch ist anders.« Er machte eine Pause. »Ach was, wenn du ihn schon nicht dazu kriegen kannst, über die Sache zu reden, besuch ihn einfach nur. Sei ein bißchen nett zu ihm. Die Eltern des Jungen sind ermordet worden, er ist ganz krank vor Angst. Er ist ein sensibles Kind, Rina. Hab ich dir von den Gedichten erzählt, die er geschrieben hat? Voller Sehnsucht und Hoffnung auf eine bessere Welt.«
»Das ist alles so traurig.«
»Gestern Abend hatte er einen furchtbaren Schock. Vielleicht ist er so, seit seine Eltern ermordet wurden. Dov war derjenige, der bei der Cousine und den Großeltern angerufen hat. Geh zu Gil. Und sei es nur, um ihm zu sagen, daß er jemanden an seiner Seite hat.«
Rina nickte. »Wie?«
»Du könntest es bei den Yaloms versuchen. Vielleicht wissen sie, in welches Krankenhaus Gil eingeliefert worden ist. Dir sagen sie es vielleicht.«
»Sie würden es dir genauso sagen. Schließlich warst du gestern der Held. Heute stehst du in der Zeitung, weißt du das schon?«
»Tue ich das?«
»Hier, im Jerusalem Examiner. Jemand hat mir eine Ausgabe gezeigt, während du mit Kreisman in der Bursa warst. Anscheinend warst du mit deiner Frau auf einer Urlaubsreise und ganz zufällig auf Besuch in der Or Tora Jeschiwa. Plötzlich ist dir ein verdächtiger Mann aufgefallen. Tralali-tralala«, flötete Rina los.
»Ich habe mit keinem Reporter gesprochen.«
»Dann hat es jemand für dich getan. Sie haben dich nicht zitiert. Vielleicht haben sie die Geschichte von Moti Bernstein.«
»Soso, wir sind also auf Urlaub hier, ja?«
»Muß wohl so sein«, griente Rina. »Ich hab’s schließlich in der Zeitung gelesen.«
Decker runzelte die Stirn. »Die Yaloms betrachten mich vielleicht als Helden. Vielleicht machen sie mich aber auch für die Bombe in der Jeschiwa verantwortlich und denken, meine Ermittlungen hätten ihren Enkel in Gefahr gebracht. Wenn ich du wäre, würde ich sie anrufen und die Mitfühlende spielen. Sie mögen dich. Du sprichst ihre Sprache. Du bist kein Außenseiter wie ich.«
»Und wenn sie mir nichts sagen?«
»Dann lauf dir die Hacken ab. Überprüf alle Krankenhäuser in Jerusalem.«
»Einfach so reingehen und Auskunft über einen Patienten namens Gil Yalom verlangen?«
»Das hört sich simpel an, aber manchmal funktioniert simpel recht gut.«
Nachdem Rina eine Stunde lang gesucht hatte, war sie sicher, daß Gil nicht in Bikur Cholim, Hadassah oder Shaarey Zedek war. Was bedeutete, daß er in einem der kleineren Jerusalemer Krankenhäuser lag, wenn man ihn nicht womöglich aus der Stadt gebracht hatte. Sie verglich ihre Liste mit dem Stadtplan und fing mit der nächstgelegenen Adresse an – in Emeq Refa’im, gleich hinter der Bahnstrecke. Rina hatte die Gegend als Wohngebiet in Erinnerung. Ein Krankenhaus in dieser Umgebung konnte nur klein sein, nicht viel größer als eine Stadtteilklinik.
Sie startete den Subaru und fuhr los, das ausgeschossene Wagenfenster trug sie wie eine Kriegsverletzung vor sich her. Sie folgte der Straße eine kurze Strecke durch ein Geschäftsviertel. An einer größeren Kreuzung voller Ampeln bog sie links ab und fuhr auf einer halb befestigten, von Mietshäusern gesäumten zweispurigen Straße weiter bis zu
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