Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
weigerte sich nach wie vor, Hosen anzuziehen oder etwas Ärmelloses. Aber sie hatte sich verändert. Ihre Ehe mit Peter hatte sie moderner werden lassen, genauso wie ihre Ehe mit Yitzchak sie orthodoxer gemacht hatte.
Honey nutzte die Gelegenheit, daß Rina so ein verwirrtes Gesicht machte, um den Kontakt aufzunehmen. Sie nahm ihre Hände und schwenkte sie hin und her. Es war eine beinahe kindliche Geste, und Rina fühlte sich in ihre Teenagerzeit zurückversetzt. Honey hatte immer noch dieselbe mädchenhafte – fast schon knabenhafte – Figur. Dünn und aufrecht wie ein Stock.
»Danke, daß du uns bei dir aufnimmst.«
»Wir werden viel Spaß haben«, versprach Rina.
Honeys dunkel-graublaue Augen leuchteten. »Spaß. Ich mag dieses Wort.« Sie wendete sich ihren Kindern zu und fing an, jiddisch zu reden, um sich gleich wieder mit einem Kichern selber zu unterbrechen. »Ich bin nicht daran gewöhnt, englisch zu sprechen. Kommt schon Kinder. Los jetzt.«
»Es wäre wahrscheinlich das beste, wenn sie ihre Mäntel ausziehen und auf den Schoß nehmen würden«, schlug Rina vor. »Es wird auch so schon eng genug.«
Die Kinder rührten sich nicht.
Honey sagte auf Englisch: »Ihr habt gehört, was Mrs. Lazarus gesagt hat. Zieht die Mäntel aus.« Sie klatschte in die Hände. »Na, los doch, Kinder. Damit wir endlich fahren können.«
Da beeilten sie sich zu gehorchen.
Honey wandte sich an Rina: »Lazarus stimmt nicht mehr, oder?«
»Ich heiße jetzt Decker.«
»Entschuldige.«
»Vergiß es einfach. Kommt, Leute. Immer hereinspaziert.«
Die Kinder bewegten sich langsam auf ihren Volvo zu. Die Mädchen kauerten sich auf die linke Seite, die Jungen hockten rechts. Sie wirkten wie betäubt – ganz im Gegensatz zu Honey, die rundum glücklich zu sein schien. Sie kurbelte das hintere Seitenfenster herunter und sah erwartungsvoll hinaus. Rina schob sich hinter das Lenkrad und drehte sich nach hinten um.
»Ihr müßt eure Sicherheitsgurte festschnallen, Kinder.«
Sie sahen sich ratlos an.
Honey suchte schon herum. »Sicherheitsgurte. Wie wir sie im Flugzeug hatten. In Autos gibt es das auch.« Sie lächelte Rina an. »Im Village haben wir nur ein paar alte Klapperkisten, wenn größere Sachen transportiert werden müssen. Wir benutzen nie ein Auto, wenn wir irgendwo hinwollen. Es liegt alles in Gehweite.« Sie griff über die Schulter und zog am Gurt. »Kommt schon, Kinder. Macht mit.«
Rina hatte nicht das Gefühl, daß die Kinder verstockt waren. Sie waren schlicht verwirrt. Es dauerte ein paar weitere Minuten, bis alle angeschnallt waren.
»Arbeitet Gershon nicht in der City?« fragte Rina »Natürlich. Das Village besitzt einen Bus«, erklärte Honey. »Mehrere Busse. Die Männer fahren mit dem Bus in die Stadt. Meine Güte, du solltest sehen, wie sie den verändert haben. Es gibt jetzt Tische und Bänke zum Lernen und ein Bücherregal voller Sepharim. Ich war richtig schockiert, als ich ihn zum ersten Mal anschauen durfte. Ein Bejss Midrasch auf Rädern. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Die Frauen haben sogar einen eigenen Bus, aber wir benutzen ihn nicht sehr häufig. Es gibt alles im Village, was wir brauchen. Sehr gut! Jetzt sind wir soweit, Rina.«
Rina ließ den Motor an und verließ die Ladezone. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihr, daß die Kinder sich eng aneinander drückten. Honey merkte nichts von ihrem Unbehagen. Sie war zu sehr damit beschäftigt, aus dem Fenster zu gucken.
»Seht doch nur mal, Kinder! Zu Hause ist es Winter, und hier ist alles grün. Nun stellt euch das bloß mal vor. Wußtet ihr, daß sie hier Orangen und Clementinen züchten können? Sie pflücken sie einfach von ihren eigenen Bäumen im Garten.«
Honeys Jüngster sagte: »Wir haben auch Bäume im Garten.«
»Keine Orangenbäume, Pessy«, stellte das älteste Mädchen verächtlich klar.
»Willst du wohl etwas geduldiger sein, Minda?« rügte Honey. Sie lächelte Pessy an. »Ich werde dir die Bäume zeigen.« Dann wandte sie sich an Rina. »Ihr habt hier doch noch Orangenbäume, oder?«
»Wir haben ein ganzes Zitronenwäldchen auf unserem Grundstück«, antwortete Rina. »Es ist eine Ranch mit Pferden und Heu und einem Stall.«
Honey lachte entzückt. »Oh Pessy, Bäume und Pferde und ein Stall! Wie wir das mal auf dem Land gesehen haben. Ist das nicht aufregend?«
Der Junge sah neugierig aus. »Pferde? So wie die, die die Cowboys reiten?«
Wenigstens hat er schon mal etwas von Cowboys gehört, dachte
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