Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
beseitigen wollte, wäre nur Arik weg.«
Einen Moment lang herrschte Stille im Auto.
Dann sagte Marge: »Vielleicht hat er ja den Mann umgelegt und Dalia gesagt, sie soll die Kinder nehmen und wegrennen.«
»Und warum ist er dann noch hier?«
Marge zuckte mit den Schultern: »Irgend jemand muß ja das Geld verdienen.«
»Und die Kinder?« fragte Decker.
»Na, hör mal, Sharoni hat durchblicken lassen, daß sie ihren Vater gehaßt haben. Hauptsache, sie sind ihn los.«
»Das gefällt mir nicht, Marge.«
Sie schwieg kurz. »Na gut, dann vielleicht so: Nehmen wir mal an, Arik ist den beiden auf die Schliche gekommen und ausgerastet. In der Wut bringt er seine Frau um und dann seine Kinder, die nicht so geworden sind, wie er es gern gehabt hätte, nimmt die Diamanten aus dem Silberkasten an der Tür und verläßt das Land. Vielleicht hat er sogar Papiere gefälscht, sich eine neue Identität verschafft. Es könnte ein zweiter Fall List sein.«
Decker dachte über ihre Hypothese nach. John List war ein Mann, der seine gesamte Familie ermordet hatte und dann verschwunden war, eine neue Identität angenommen hatte und der Polizei zwanzig Jahre lang immer wieder durch die Lappen gegangen war. Er war erst gefaßt worden, nachdem der Fall zur besten Sendezeit in einer Schnappen-Sie-den-Verbrecher-Sendung gebracht worden war.
»Schon möglich«, räumte Decker ein. »Aber es gibt ein paar wichtige Unterschiede. Erstens wurden die zerstümmelten Leichen von Lists Frau, seiner Mutter und den Kindern in der Wohnung gefunden, was ihn zum Hauptverdächtigen machte. Hier haben wir keine Leichen, nur eine verschwundene komplette Familie.«
»Vielleicht hat Daddy seine Mannschaft irgendwo ins Unterholz gelockt.«
»Die Autos stehen aber alle noch in der Garage.«
»Dann hat er ein Auto gemietet.«
»Könnte sein«, sagte Decker. »Willst du die Autovermietungen überprüfen?«
»Ich schreib’s auf meine Liste – sollte kein Wortspiel sein.« Marge machte sich eine Notiz. »Was siehst du sonst noch für Unterschiede zwischen diesem und dem List-Fall?«
Decker sagte: »John List ertrank in Schulden. Sein Haus war groß und kostspielig, aber leer, weil er sich die Möbel nicht leisten konnte. Er behauptete, er hätte keinen Ausweg mehr gehabt. Nach allem, was wir bisher wissen, war Yalom finanziell gut gepolstert. Er brauchte keine Morde zu begehen, um zu fliehen. Er hätte einfach das Geld nehmen und gehen können.«
»Scheidungen sind teuer«, wandte Marge ein. »Yalom ist als Geizhals bekannt. Genau wie List, wenn ich das mal hinzufügen darf. Was für Unterschiede siehst du noch?«
»Es ist wahrscheinlich nicht wichtig«, mutmaßte Decker, »aber ich werf’s trotzdem mal in die Debatte. List hatte seine Untaten einem Priester gebeichtet und behauptet, die Morde seien für ihn der einzige Weg, um seiner sündigen Frau und den Kindern einen Platz im Himmelreich zu sichern.«
»Töte den Körper und rette die Seele«, knurrte Marge.
»Ganz genau«, nickte Decker. »Yalom ist kein religiöser Mensch und war es auch nie.«
»Und was willst du damit sagen?«
»Das weiß ich nicht genau«, meinte Decker. »Nur daß Arik Gott zu verachten schien. Dov war der Spirituelle.«
»Also hat er vielleicht den Körper getötet, um die Seele zu retten«, schlug Marge vor. »Damit sind wir wieder bei dem Sohn oder den Söhnen. Dummerweise haben wir nicht den Funken eines Beweises.«
»Nein, haben wir nicht«, bestätigte Decker. »Aber immer schön eins nach dem anderen.«
Die Worte blieben Rina zufällig im Ohr hängen, deshalb stellte sie ihr Autoradio lauter. Es waren die Mittagsnachrichten, und der Sender stellte die Hauptthemen des Tages vor – darunter ein Beitrag über eine vermißte Familie. Das mußte Peters Fall sein. Wie viele vermißte Familien konnte es schon geben, selbst in einer so großen Stadt wie Los Angeles? Mehr dazu gleich nach den Verkehrsnachrichten und einer Werbung für Seitensicherheitsschutz aus Aluminium.
Sie wechselte die Spur und ging auf fünfundfünfzig Meilen runter. Es war gut Durchkommen heute morgen. Die Freeways im North Valley waren normalerweise wenig befahren, weil das Umland nicht so dicht besiedelt war wie Los Angeles selbst. Sie genoß die staufreie Strecke in dem Bewußtsein, daß sich lange Autoschlangen bilden würden, sobald sie dem Flughafen LAX näher kam.
Aber selbst wenn sie stecken bleiben sollte, war es nicht schlimm. Honey schien es nicht eilig zu haben. Vielleicht
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