Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
Aktenkoffer versteckt?«
»Nicht im geringsten«, sagte Marge. »Ich hab ihn nur nicht gesehen. Ich dachte, die Tür führe nur auf leeren Bodenraum. An der Stelle ist die Dachschräge so spitz, daß man nicht einmal aufrecht stehen kann. Also habe ich nur den Kopf hineingesteckt und gesehen, daß da nichts war. Richtig reingekrochen bin ich erst beim zweiten Mal – sehr zum Leidwesen meiner Rückenmuskeln und da habe ich dann festgestellt, daß der Raum in Wirklichkeit eine Abstellkammer ist, die sich um das ganze Haus herum zieht. Auf der anderen Seite ist dieser große Abstellraum, wo die Hauptgepäckstücke der Familie stehen. Ich zeig’s dir, wenn du willst, aber ich bin schon alles durchgegangen. Die anderen Koffer waren leer.«
Decker blätterte die Papiere in der Aktentasche durch – Kopien von Geburtsurkunden, Sozialversicherungsausweisen, Versicherungskarten, INS-Papiere. Er fragte sich, wo wohl die Originale waren. Wenn Yalom die Papiere eingesteckt hatte, warum hatte er dann die Pässe dagelassen? Die beiden Pässe, die er in der Hand hielt, waren nämlich Originale. Und noch gültig. Er sagte: »Die Pässe der Jungen hast du nicht gefunden?«
»Negativ«, sagte Marge. »Und ich habe alles genauestens durchsucht. Das könnte etwas zu bedeuten haben. Wenn die Jungs die Eltern umgenietet haben, sind sie vielleicht mit irgendeinem Flug ins Ausland – ohne Rückfahrkarte.«
Decker blätterte Yaloms Paß durch – Seiten über Seiten mit Einreisestempeln in die USA, Yaloms Wohnsitz. Dann gab es noch viele andere Seiten mit ausländischen Einträgen – Kanada, Mexiko, Länder in West- und Osteuropa inklusive Rußland, Eintragungen aus dem Fernen Osten, Lateinamerika und Afrika. Sehr viele aus Afrika: Ägypten, Südafrika, Kenia, Namibia, Liberia, Angola, Sudan, Äthiopien, Zaire und noch ein paar andere Länder, von denen Decker nicht einmal wußte, daß es sie gab.
Dalias Stempel waren weniger auffällig – Eintragungen aus Westeuropa, Hongkong, Japan und jedesmal, wenn sie wieder nach Hause gekommen war, einer aus den USA.
Marge sagte: »Ein richtiger Weltenbummler, dieser Yalom.«
»Irgend etwas scheint dich zu stören«, insistierte Decker.
»Ein Israeli, der nach Rußland fährt? Ich dachte, die Juden verlassen Rußland, um nach Israel zu gehen.«
»Yalom ist Diamantenhändler«, erklärte Decker geduldig. »In Rußland gibt es Diamantenminen.«
Marge hielt inne: »Oh.«
Decker hakte nach: »Woran hattest du gedacht?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht hat Yalom einigen Landsleuten geholfen, aus Rußland herauszukommen … etwas in der Art.«
Decker antwortete nicht.
»Zu weit hergeholt, was?«
»Das würde ich nicht sagen«, sagte Decker. »Wenn man einen Paß wie diesen hier sieht, fragt man sich schon, was da los ist.«
»Ich glaube, der Typ ist ein Agent. Vielleicht ist die Familie deshalb verschwunden.« Marge nahm den Paß und blätterte darin herum. »Haufenweise Eintragungen aus der Dritten Welt.«
»Ist mir auch aufgefallen.«
»Okay, Südafrika hat also Diamantenminen. Es macht Sinn, daß er da hinfährt. Aber was ist mit Namibia oder Angola?«
»Keine Ahnung.«
Marge gab Decker den Paß zurück. Er sah sich die Seiten noch mal an. Mehrere Eintragungen für jedes afrikanische Land, das er besucht hatte. »Ich weiß nicht, warum er sich überhaupt die Mühe macht, nach Südafrika zu fahren. Nach dem, was Yaloms Partner mir erzählt hat, bringt VerHauten die Rohdiamanten in Antwerpen in Belgien auf den Markt. Die geschliffenen Steine werden in Israel gekauft.« Decker rekapitulierte seine Unterhaltung mit Gold.
Marge faßte zusammen: »Also hat Yalom es – selbst als Diamantenhändler – gar nicht nötig, irgendwo anders hinzufahren als nach Antwerpen und Israel.«
»Wenn ich Gold richtig verstanden habe, nein.«
»Und wenn Rußland allein nur mit diesem VerHauten Geschäfte macht, was konnte Yalom dann damit erreichen wollen, daß er nach Rußland fährt?«
»Das einzige, was mir einfällt, ist, daß Yalom vielleicht ein paar Schleichwege geht, von denen Gold nichts weiß.«
»Er betrügt seinen Partner?«
»Soll schon mal vorgekommen sein.«
»Sein Partner findet es heraus, wird wütend und legt ihn um?«
»Soll schon mal vorgekommen sein.«
»Ich bin mit meiner Idee, daß er ein Agent ist, noch nicht durch«, verkündete Marge. »Womit könnte man sonst diese viele Reiserei erklären?«
Decker lachte leise.
»Na los doch«, forderte Marge beleidigt, »mach dich
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