Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
schließen.«
»Wir sind noch nicht fertig«, wandte Marge ein.
Holmes drehte bedeutungsvoll das Handgelenk und warf einen Blick auf seinen Zeitmesser. »Tut mir leid, aber ich muß den Tresor zu einer bestimmten Zeit schließen, sonst gehen die Alarmglocken los. Ich hoffe, Sie beide haben irgend etwas gefunden, das diesen schrecklichen, schrecklichen Zwischenfall erhellen kann. Die Yaloms waren von uns sehr geschätzte Kunden.«
Decker fragte: »Wie viel Zeit haben wir noch?«
»Ungefähr zwei Minuten. Gerade genug, um alles wieder in die Box zurück zu tun.«
Marge schmeichelte: »Und wenn wir morgen früh als erstes wiederkommen? Sagen wir gegen acht?«
Holmes bedachte sie mit einem Lächeln, das besagte: nichts zu machen. »Tut mir leid, Detective. Ich habe die Regeln bereits einmal umgangen, indem ich Ihnen Zugang zum Schließfach gewährt habe, bevor die Steuerbehörde informiert wurde. Noch einmal geht das nicht. Ich werde das Fach abschließen müssen, bis der Mann von der Steuer mir die Genehmigung gibt, es zu öffnen.«
»Dann räumen wir jetzt auf«, antwortete Marge artig. »Haben Sie hinterher noch eine Minute Zeit für ein kleines Gespräch über die Yaloms?«
Holmes brachte es fertig, gleichzeitig zu lächeln und die Stirn zu runzeln. »Tut mir leid, aber ich bin im Moment gerade ein wenig in Eile –«
»Natürlich«, schnurrte Marge. »Dann setzen wir das Treffen einfach für morgen früh an …« Sie sah hoch und lächelte. »Sagen wir acht Uhr, bevor die Bank aufmacht. Ich bringe sogar Doughnuts und Kaffee mit, Mr. Holmes. Das ist doch unschlagbar.«
Dem ersten Vizepräsidenten verschlug es die Sprache. Schließlich brachte er salbungsvoll heraus: »Ich nehme an, ich kann mich morgen früh für ein paar wenige Minuten freimachen. Aber im Moment habe ich wirklich keine Zeit. Bitte räumen Sie hier schnell ein, damit ich den Tresor schließen kann.«
»Na klar«, lächelte Marge ihn zuvorkommend an.
Als der Vize verschwunden war, gluckste Decker: »Super, wie du ihm den Termin für morgen abgenötigt hast, Margie. Der Zusatz mit den Doughnuts und dem Kaffee gefällt mir besonders.«
Marge griente. »Hast du die Wampe von dem Typ gesehen? Man muß die Schwächen angreifen.«
Decker prustete los und fing an, die Papiere in die Box zurückzustopfen. Er wollte gerade den Deckel schließen, da hielt er inne und sah sich das Zertifikat obenauf genauer an. Southwest Mines. Eine Besitzurkunde für eine größere Landmenge in Angola. Decker zog sie aus der Box, faltete sie zu einem kleinen, dicken Würfel und stopfte sie in sein Unterzeug.
Marge hob die Augenbrauen. »Was glaubst du eigentlich, was du da tust, Rabbi?«
»Der alte Chuck macht seinen Job. Und ich tue meinen.«
»Pete –«
Holmes klopfte und trat gleich darauf ein. Er lächelte die Detectives an. »Fertig?«
Decker breitete die Arme aus und lächelte zurück. »Fertig.«
20
Der Rosch Jeschiwa bot Rina den Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs an. Sein Büro zu Hause war anders als das in der Jeschiwa, kleiner und schlichter. An allen Wänden standen Regale voller Sepharim – religiöser Bücher. Der Schreibtisch war alt, und Rina vermutete, daß er sentimentalen Wert besaß. Er war aus geschnitztem Mahagoni und voller Kerben, die Schreibplatte von Büchern und Papieren bedeckt. Die einzige Konzession an äußerliche Schönheit waren ein silbernes Tintenfaß und eine Reihe Füllfederhalter mit eingelegten Halbedelsteinen – Malachit, Lapis Lazuli, Tigerauge und Granat. Er ließ die Tür angelehnt, aber nicht weit offen.
Rina war erschöpft. Nachdem sie die Jungen in der Jeschiwa abgesetzt hatte, war sie zum Haus ihrer Eltern zurückgebraust, um Hannah ins Bett zu bringen. Als das Baby eingeschlafen war, hatte sie noch einmal den ganzen Weg zur Jeschiwa zurückgelegt, um den Jungen gute Nacht zu sagen und mit dem Rabbi über Honey zu sprechen. Sie mußte ihrem betagten Volvo weitere hundert Meilen zumuten. Aber Rina hatte das Gefühl, daß ihr keine andere Wahl blieb. Ihre Familie war sicher und geborgen. Wie konnte sie gut schlafen, solange Honey und ihre Kinder verschwunden waren? Wo waren sie jetzt?
Rabbi Schulman ging zu einem Regal hinüber und zog eine Flasche Schnaps hervor. »Ein alter Mann muß zu vielen Mitteln greifen, um einen klaren Kopf zu bewahren.« Er lächelte, aber Rina hatte das Gefühl, daß er besorgt war. Sie schwieg und wartete, bis Schulman sein Glas ausgetrunken haben
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