Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
sie’s nicht für die Touristen machen. Ihr Leben ist so. Jetzt arbeite ich in Manhattan, früher war ich in Brooklyn. An den üblichen Durchschnitts-Chassiden bin ich gewöhnt. Aber diese Typen sind noch mal was ganz anderes.«
Decker fiel auf, wie Romero das Wort Chassid betont hatte, mit gutturalem ch.
»Diese Frau«, sagte Romero. »Die Frau, die bei Ihnen gewohnt hat. Wirkte die normal?«
»Ich bin kein Psychiater.«
»Das heißt, sie war auch irre.«
»Ich bin kein Psychiater«, wiederholte Decker.
»Die Familie hat also bei Ihnen gewohnt, als der Alte abgemurkst worden ist.«
»Yep.«
»Und dann sind sie verschwunden?«
»So sind die Tatsachen.«
»Da stimmt was nicht.«
»Das ist ebenfalls eine Tatsache.«
»Lassen Sie mich mal Larry für Sie anrufen. Es ist zwar zwei Uhr morgens, aber ich glaube, das hier wird er hören wollen.«
»Sehr verbunden.«
Romero wiederholte: »Ja, Larry wird das ganz bestimmt hören wollen. Mal sehen, ob ich Ihre Nummer richtig aufgeschrieben habe.« Er wiederholte Deckers Nummer.
»Alles richtig.« Decker legte auf und drehte sich zu Rina um. »Er hat mir das Leibbener Dorf wie eine Sekte beschrieben. Nachdem, was ich gehört habe, halte ich das für eine zutreffende Beschreibung.«
»Niemand wird gezwungen.«
»Das heißt nicht, daß es nicht gefährlich ist.«
»Also, was willst du nun damit sagen, Peter?« fragte Rina verärgert. »Glaubst du, er ist von seinen eigenen Leuten ermordet worden?«
»Dazu sage ich nichts, weil ich nichts weiß.« Decker hielt inne. »Aber ich kann dir sagen, was ich weiß: Wenn dem Leibbener Rebbe irgend etwas an Honey gelegen wäre, würde er mich nicht zurückpfeifen wollen.«
»Er macht sich Sorgen um unser Wohl.«
»Weißt du, Rabbi Schulman ist ein sehr weiser Mann. Er hat gesagt, Honey Klein wäre keine halachische Angelegenheit, sondern Sache der Polizei. Er hat völlig recht.«
Rina stimmte ihm zögernd nickend zu. Das Telefon klingelte. Decker nahm auf.
»Hier ist Detective Dintz«, meldete sich eine tiefe Stimme. »Ich bin auf der Suche nach Sergeant Decker.«
»Schon gefunden.«
»Mann, ich wünschte, Sie hätten früher angerufen. Ich habe meine ganzen Notizen im Schreibtisch im Büro.«
»Ich wünschte, ich hätte es gekonnt. Ich bin hier gerade an einem Doppelmord dran.«
»Ja, ein Diamantenhändler und seine Frau. War in den Nachrichten. Glauben Sie, es gibt eine Verbindung zwischen denen und Klein?«
»Bisher bin ich die einzige Verbindung, die ich finden konnte.« Decker setzte ihn über die Kleins ins Bild – den verlassenen Wagen am Autobahnrandstreifen, Honeys Behauptung mit den komischen Anrufen. Gershon Kleins seltsames Verhalten.
Dintz hörte zu, ohne ihn zu unterbrechen. Als Decker fertig war, faßte Dintz zusammen: »Sie haben also zwei israelische Leichen gefunden. Jetzt ist die Familie Klein verschwunden. Und Sie glauben, da gibt es eine Verbindung?«
»Wenn ich eine finde, sind Sie der erste, der’s erfährt«, versprach Decker. »Im Moment versuchen wir noch herauszufinden, ob die Kleins sich versteckt halten oder ob sie entführt worden sind.«
»Und man hat Ihnen die Untersuchung im Fall Klein übertragen?«
»Ja. Können Sie mir etwas über den Mord an Gershon Klein sagen? Irgend etwas, das mir helfen könnte herauszufinden, was mit der Frau und den Kindern passiert ist?«
»Alles, was ich bisher habe, ist ein Vermerk im vorläufigen Obduktionsbericht. Klein wurde erschossen, aber das war nicht die Todesursache.«
»Was dann?«
»Tod durch Ertrinken.«
21
Rina lag mit ihrem Buch vor der Nase im Bett, aber in den letzten fünfzehn Minuten hatte sie dauernd dieselbe Seite gelesen. Peter war immer noch am Telefon und sagte »Aha« und »Hhmh« und machte sich eine Menge Notizen. Es juckte sie, ihm über die Schulter zu gucken, aber sie tat es nicht. Schließlich beendete er das Gespräch mit einem »Tausend Dank, ich ruf Sie morgen an« und legte auf. Er ließ sich im Bett zurückfallen. Rina legte ihr Buch weg und wartete.
Peter starrte erst die Decke an, dann sie. »Wie wär’s mit einem Zwei-Minuten-Bericht?«
»Ich glaube, das halte ich durch, danke.«
»Die offizielle Todesursache war Tod durch Ertrinken. Warum ist Gershon Klein also in den Kopf geschossen worden?«
»Zum Vertuschen.«
»Du bist gut«, lobte Decker. »Dintz, der Detective, der den Fall bearbeitet, geht von der Annahme aus, daß der Schuß erst danach abgegeben wurde – um die Polizei auf eine falsche
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