Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
Fährte zu locken.«
»Das hat offenbar nicht funktioniert.«
»Autopsien lügen nicht, und Mordopfer werden routinemäßig obduziert. Tod durch Ertrinken ist sehr leicht zu erkennen.«
»Ich verstehe nicht ganz«, sagte Rina. »Willst du damit sagen, daß Gershon absichtlich ertränkt worden ist? Und dann hat jemand auf ihn geschossen, damit es aussah wie ein normaler Mord?« Sie runzelte die Stirn. »Normaler Mord. Also das ist nun wirklich ein Widerspruch in sich.«
»Es sieht ganz so aus.« Decker rieb sich die Augen. »Auf mich wirkt das, als hätten wir es mit Amateuren zu tun statt mit Profikillern.«
»Was für Amateure?«
»Könnte jeder sein – verärgerte Freunde … Verwandte … die verschmähte Ehefrau …«
»Du meinst Honey?« Rina schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht! Ich weigere mich, das zu glauben. Nebenbei gesagt, wie groß ist Honey … einsachtundfünfzig? Gershon war viel größer als sie.«
Guter Einwand, dachte Decker. Mannomann, war er müde. Sein Hirn war kurz davor, die Arbeit einzustellen. »Ich muß unbedingt ein bißchen schlafen.«
Rina beugte sich zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuß. »Du wirst weiter an dem Fall arbeiten, nicht wahr?«
»Yep«, sagte Decker. »Es ist mir egal, was der Rebbe sagt. Es ist etwas faul im Staate New York.«
»Ich hatte den Eindruck, als mache er sich ehrliche Sorgen um Honeys Sicherheit und als habe er keine Ahnung, wo die Familie abgeblieben ist. Er schien zu glauben, du könntest sie in Gefahr bringen.«
»Und worauf genau stützt er diese Vermutung, Rina?«
Sie zuckte die Achseln.
»Weißt du, was ich denke?«
»Er verschweigt etwas.«
»Bingo, du hast den Thanksgiving-Truthahn gewonnen. Entweder, er weiß etwas Schlimmes, oder er will jemanden schützen.«
»Honey?«
»Vielleicht Honey. Vielleicht jemanden in der Gemeinde. Vielleicht sogar sich selbst.«
Rina starrte ihren Mann ungläubig an. »Willst du tatsächlich andeuten, daß der Rebbe etwas mit dem Mord an Gershon zu tun gehabt haben könnte?«
»Ich sage nur, daß ich eine geübte Nase habe, Schätzchen. Wenn irgendwo was faul ist, rieche ich das auch.« Er drehte sich um. »Laß uns jetzt schlafen.«
Rina zögerte noch einen Moment, dann knipste sie das Licht aus.
Als Decker am nächsten Morgen um sieben an seinem Schreibtisch saß, rief er als erstes bei West-L. A. an. Er wollte Detective Sturgis, der mit Honeys verlassenem Van betraut war, eine Nachricht auf Band sprechen, aber zu seiner Überraschung war Sturgis schon da.
Decker teilte ihm alles Nötige mit. »Irgend etwas Neues, wovon ich wissen sollte?«
»Bei mir nicht.« Sturgis zögerte. »Was halten Sie von diesem Ertrinkungstod?«
»Jemand hat sich den Jungen vorgenommen und wollte keine Spuren hinterlassen. Sie wissen schon. Kopf in die Kloschüssel. Passenderweise ist die Ehefrau gerade nicht in der Stadt. Könnte die Mafia gewesen sein. Könnte natürlich auch von der Frau arrangiert gewesen sein. Aber wenn sie tatsächlich für die Wasserfolter gesorgt hat, was wollte sie damit erreichen? Damit sie irgend etwas bekommt, wie zum Beispiel Geld aus einer Lebensversicherung, mußte er hopsgehen.«
»Er ist hopsgegangen.«
»Ziemlich unsauber für einen Auftragsmord, finden Sie nicht? Nein, ich glaube, da ist etwas schiefgegangen. Sie haben ihn sich vorgeknöpft, aber er sollte nicht dabei sterben.«
»Oder jemand wollte ihn ertränken. Der Kopfschuß sollte uns verwirren. Und genau das tut er ja auch. Hat irgend jemand die Versicherungspolicen überprüft?«
»Dintz von Manhattan sagt, da sei nichts Nennenswertes dabei. Aber Gershon Klein war Diamantenhändler. Ich bin sicher, daß er ein paar nette Steinchen in seinem Bestand hat.«
»Wollen Sie wissen, was ich glaube?« sagte Sturgis. »Sie hat ihren Mann übers Ohr gehauen, ein paar Banditen angeheuert, damit sie ihn umlegen, dann hat sie hier ihre Steine zu Geld gemacht und ist ab in den Untergrund.«
»Aber Sturgis, sie ist nicht in den Untergrund gegangen. Sie ist hierher gekommen, nach L. A., mit ihrer Familie.«
»Um alle in die Irre zu führen, bevor sie die Fliege macht.«
»Sie ist religiös. Es wäre gar nicht so leicht für sie, sich zu verstecken.«
»Es sei denn, sie hat beschlossen, unreligiös zu werden.«
Decker dachte darüber nach. Honey war eine religiöse Frau, die von oben bis unten in Kleidungsstücke und Verhaltensregeln eingewickelt war – eine Frau, die praktisch ihr ganzes Erwachsenenleben hindurch
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