Decker & Lazarus 08 - Doch jeder toetet, was er liebt
hast mir gesagt, dass ihr lange Zeit nicht miteinander geredet habt.«
Sie nickte.
»Wie lange ist es dann her, dass du für ihn posiert hast?«
»Das war vor ungefähr fünf Monaten.«
»Als du ihm noch Nachhilfe gegeben hast?«
»Ja.«
Decker sah auf. »Wie hat er dich dazu gebracht, so freimütig zu posieren?«
Ihre Augen wurden feucht. Sie sagte nichts.
»Er hat dir gesagt, dass er dich liebt«, stellte Decker fest.
»Sie halten mich für eine Idiotin.«
»Überhaupt nicht«, sagte Decker. »Kein Mensch wird gleich zum Idioten, weil er mal einen Fehler macht. Nicht, wenn er daraus lernt.«
»Und worin besteht hier die Lektion, Sergeant? Dass man Männern nicht trauen darf? Das habe ich schon von meinem Vater gelernt.«
Decker machte ein unbeteiligtes Gesicht. So jung und schon so bitter. Oder war das nur das typische Teenager-Gerede?
Terry sagte: »Ja, er hat gesagt, dass er mich liebt. Er sagte auch, er wolle nicht mit mir schlafen, weil er mit einer anderen verlobt sei. Er sagte, auf diese Weise könnten wir ganz intim miteinander sein auch ohne Sex. Vielleicht war das auch nur ein Spruch. Aber er hörte sich ehrlich an. Als ich ihm das erste Mal Modell saß, tat er überhaupt nichts Komisches.«
Decker zog die Augenbrauen hoch. »Und beim zweiten Mal, Terry, machte er da etwas Komisches?«
»Nein, überhaupt nicht«, sagte Terry schnell. »Ich meinte nur, dass er mich beim ersten Mal ganz normal Modell sitzen ließ. Sie haben doch die Bilder gesehen, oder?«
»Die, wo du dich nach vorne beugst?«
Sie nickte.
»Ja, die habe ich gesehen.«
»Er verhielt sich sehr rücksichtsvoll. Und als er mich dann beim zweiten Mal fragte, ob er mich … fesseln dürfe, um seine Vision von Christus am Kreuz umzusetzen … da war mir schon komisch. Aber dann dachte ich mir, warum eigentlich nicht?«
Sie nahm ihre Haarspange ab und schüttelte die langen, rötlich schimmernden Haare.
»Wissen Sie, ich hab ihn um die Skizzen gebeten, als ich mit der Nachhilfe aufgehört habe. Er wollte sie mir nicht geben.«
»Ich bin sicher, inzwischen wünscht er, er hätte es getan.«
Terry sackte plötzlich in sich zusammen. »Das ist wahr. Die Zeichnungen schaden Chris sicher mehr als mir.«
Decker sagte: »Wie oft hast du gefesselt für ihn posiert?«
»Nur einmal, das war alles.«
»Er hat dich nie gebeten, es wieder zu tun?«
Terry schaute zur Decke. Decker beobachtete ihr Gesicht. »Oder hast du ihm wegen des Modellsitzens vorgeschlagen, dass er sich einen neuen Nachhilfelehrer sucht?«
»Das war einer der Gründe, nehme ich an.«
»Sehr vernünftig von dir.«
»Ich habe freiwillig posiert«, sagte sie leise. »Ganz ohne Zwang.«
Decker sagte: »Ein wortgewandter und gut aussehender Junge wie Chris ist mit dir allein. Er sagt, er liebt dich. Er sagt, das sei eine Möglichkeit zur Intimität ohne Sex. Wahrscheinlich sagt er, du sollst ihm vertrauen und wenn du ihn wirklich liebtest, würdest du das für ihn tun. Etwas in der Art, stimmt’s?«
Tränen liefen ihr über die Wangen.
»Verschwende deine Tränen nicht an ihn«, sagte Decker. »Whitman ist kein netter Junge. Er ist wegen Mordes verhaftet worden. Du kannst dich glücklich schätzen.«
Terry schüttelte den Kopf. »Er hat Cheryl nicht ermordet, Sergeant.«
»Terry, es wird Zeit, dass du dich entscheidest«, sagte Decker. »Es ist sehr wahrscheinlich, dass du als Zeugin vor Gericht geladen wirst. Ich will, dass du den Geschworenen die Wahrheit sagst. Ich will, dass du sagst, wie Chris dich manipuliert hat, wie er deine Verletzlichkeit und deine Gefühle benutzt hat, um dich dazu zu bringen, dass du tust, was er wollte …«
»Das wäre nicht die Wahrheit!«
Decker hielt inne. »Du wolltest so für ihn posieren?«
»Nein, aber …«, ihre Augen wurden feucht, »ich liebe ihn …«
»Terry, dazu bist du doch zu klug.«
»Sie haben mich nicht ausreden lassen.«
Decker nahm sich zurück. »Entschuldige. Sprich weiter.«
»Ich liebe Chris, Sergeant. Aber ich habe auch einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Wenn ich wirklich … daran glaubte, dass er Cheryl umgebracht hat, würde ich ihn vielleicht immer noch lieben, aber ich würde ihn trotzdem bestraft sehen wollen.« Sie machte ein schmerzliches Gesicht.
»Wenn Sie mich vor den Geschworenen aussagen lassen, werde ich die Wahrheit sagen. Aber es wird nicht Ihre Interpretation der Wahrheit sein, die natürlich berechtigt ist, aber …«
Decker wartete. Als sie nicht weitersprach, füllte er
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