Decker & Lazarus 09 - Totengebet
noch mal. Was könnte Leonard Decameron im persönlichen Gespräch verraten haben, das er am Telefon nicht sagen wollte.«
Im Zimmer war es still. Shockley schlug die Hände vors Gesicht. Dann sah er auf. »Vielleicht … vielleicht hatte er von etwas Wind bekommen.«
»Und wovon könnte er Wind bekommen haben?«, hakte Marge nach.
»Davon, dass das Curedon-Projekt gestrichen wird.«
Wiederum herrschte Schweigen. Oliver versuchte seine Überraschung zu verbergen. Marge sah kurz auf, hatte ebenfalls Mühe, ihre Verblüffung nicht zu zeigen.
»Es sollte alles ganz lautlos über die Bühne gehen«, fuhr Shockley fort. »Aber gelegentlich erweist es sich als schwierig, in dieser Umgebung Geheimnisse zu bewahren. Besonders da heutzutage jeder E-mail-Code geknackt werden kann.«
»Und wird Curedon gestrichen?«, wollte Oliver wissen. »Ich dachte, die Tests liefen gut.«
»Bis vor ein paar Monaten, ja.«
»Das Anwachsen der Sterblichkeitsrate«, warf Marge ein.
»Ja. Wie haben Sie das herausgefunden?«
»Decameron. Er hat uns gesagt, es sei ein Datenfehler.«
»Es ist kein Datenfehler.« Shockley holte tief Luft. »Allerdings ist Curedon kein totaler Fehlschlag. Da steckt durchaus Potenzial drin. Aber angesichts der letzten Testergebnisse und der Tatsache, das Azor Sparks tot ist – uns nicht mehr aus dem tiefen Tal herausführen kann hat die Firmenleitung doch massive Zweifel am Erfolg des Medikaments. Einige möchten die Verluste in Grenzen halten, solange das noch möglich ist.«
Es folgte ein langes Schweigen.
»Was kümmert es Leonard, einen Statistiker und Forschungsplaner, wenn Sie die Curedon-Tests aus dem Programm nehmen?«, wollte Marge wissen.
»Das weiß ich nicht!« Shockley sah Marge flehentlich an. »Es macht keinen Sinn. Schließlich war er derjenige, der die Zahlen für uns interpretiert hat. Tatsächlich …«
Shockley drehte sich auf seinem Stuhl zu seinem Aktenregal herum und riss eine Schublade auf. Mit zitternden Händen kramte er durch eine Reihe von Hängeakten.
»Wonach suchen Sie, Sir?«, fragte Oliver.
Shockley antwortete nicht, kramte weiter. Schließlich fischte er ein Blatt heraus.
»Gott sei Dank!« Er gab das Blatt Papier Marge. »Hat doch was für sich, wenn man Ordnung hält. Hier. Wenn Sie mir nicht glauben, dann sehen Sie selbst.«
Es war eine persönliche Notiz von Leonard für Shockley. Sie trug ein zwei Monate zurückliegendes Datum. Es ging um die Curedon-Tests. Marge überflog das Zahlengewirr und las die Zusammenfassung. Mittelmäßige Resultate mit leichten, nicht signifikanten Abweichungen zwischen Curedon und bereits auf dem Markt befindlichen Medikamenten. Unterzeichnet von Leonard. Marge gab das Schreiben weiter an Scott.
»Diese Notiz haben Sie seit über sechzig Tagen«, bemerkte Oliver. »Warum haben Sie uns nichts davon gesagt, als wir vor ein paar Tagen zum ersten Mal bei Ihnen waren?«
»Weil ich nicht die Absicht hatte, Ihnen Firmeninterna zu verraten. Und zum anderen war ich – und das ist die Wahrheit – so perplex über Azors Tod, dass ich es offen gestanden völlig vergessen hatte.«
»Doktor!«
»Das ist die Wahrheit!«
»Sie haben sich geweigert, uns Daten über Curedon zu geben«, fuhr Oliver fort. »War es das, was Sie vertuschen wollten? Die Tatsache, dass die Ergebnisse nicht überwältigend sind?«
»Ich wollte gar nichts vertuschen.« Shockley straffte die Schultern. »Sicher war klar, dass wir mit Curedon bewegten Zeiten entgegensahen. Aber mit Azor im Team war ich zuversichtlich gewesen, die Probleme bewältigen zu können. Jetzt, da er nicht mehr da ist, hat die Firmenleitung empfohlen, das Projekt zu überdenken. Wir haben Kenny gebeten, einen Zahlenvergleich auf Grund neuer Daten zu erstellen. Das Ergebnis war enttäuschend.«
»Hm, versuchen wir’s noch mal«, überlegte Marge laut. »Warum könnte Leonard zu Decameron gefahren sein? Warum hat er ihn nicht einfach angerufen?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
»Vielleicht hat er versucht, Decameron zu warnen.«
»Wovor denn?«, fragte Shockley.
»Fisher/Tyne nicht in die Quere zu kommen, weil das tragische Folgen haben könnte.«
»Sie reden Blödsinn …«
»Und prompt gab es tragische Folgen. Oder wie sehen Sie das?«, fragte Oliver.
»Wir haben mit diesen Todesfällen nichts zu tun!«, protestierte Shockley.
»Wann können wir mit Leonards Kollegen sprechen?«, wollte Marge wissen.
»Ich versuche, das bis morgen für Sie klar zu machen. Nachdem ich die
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