Decker & Lazarus 09 - Totengebet
keine Lust, aber ehrlich gesagt … er war so merkwürdig. Ich hatte Angst, dass er mich erpressen wollte.«
Im Wagen wurde es still.
»War Leonard ein Erpressertyp?«, erkundigte sich Oliver.
»Nein, überhaupt nicht. Nun …« Belinda verkniff sich ihre Tränen. »Ich liebe meinen Mann. Ich liebe meine Kinder. Dieser Ausrutscher war ein Fehler. Zum Glück hat Kenny die Trennung problemlos akzeptiert, ganz freundschaftlich, ohne Szene. Trotzdem habe ich dem Frieden nicht getraut. Als er mich dann zu einem Drink einlud, dachte ich, jetzt würde er die Katze aus dem Sack lassen. Aber das war es gar nicht.«
»Was wollte er von Ihnen?«, fragte Oliver.
»Über die Arbeit reden, über seine Daten. Er war sehr aufgebracht. Er hatte in den Curedon-Unterlagen ein Kuckucksei entdeckt.«
»Ein was?« Marge sah sie verständnislos an.
»Jemand hatte sich in seinen Computer gehackt. Hatte sich von einem fremden Terminal aus bei ihm eingeloggt, ließ Programme laufen und pfuschte mit den Curedon-Daten herum. So was nennen Computerfachleute ein Kuckucksei. Kenny meinte, dass da jemand offenbar die Curedon-Daten verändern, die Zahlen manipulieren wollte.«
»Wie konnte sich jemand bei Leonard einloggen?«
»Keine Ahnung. Kenny hatte allerdings den Verdacht, es müsse jemand aus der Firma sein, der das Passwort kannte. Deswegen hat er sofort sämtliche Passwörter geändert. Aber der bereits entstandene Schaden war irreparabel. Kenny hatte auf Grund der falschen Daten schon seine Empfehlungen abgegeben. Er hatte das Gefühl, dass ihn jemand ausschalten wollte.«
»Wer?«
Belinda schluckte. »Genau das versuchte Kenny herauszufinden. Ganz besonders nachdem Dr. Sparks ermordet worden war.«
»Hat er keine Namen genannt?«, fragte Oliver.
Belinda sah auf. »Er hatte das Gefühl, dass Fisher/Tyne selbst hinter der Datenmanipulation steckte. Dass Fisher/Tyne die Curedon-Forschung einstellen wollte.«
»Warum?«
»Das ist reine Spekulation, aber …« Belinda räusperte sich. »Kenny hat vermutet, dass Shockley heimlich mit Dr. Sparks’ Assistenten gemeinsame Sache gemacht hat.«
Schweigen im Walde.
»Mit welchem Assistenten? Decameron?«
»Dr. Berger«, sagte Belinda. »Er war ursprünglich mit dem Curedon-Projekt befasst gewesen. Dann hatte er sich urplötzlich zurückgezogen. Niemand wusste weshalb. Nach ihm kam Decameron, schien seine Sache gut zu machen, und die Angelegenheit war vergessen. Bis jetzt.«
»Wie kam Leonard darauf, Shockley und Berger könnten gemeinsame Sache machen?«, wollte Marge wissen.
»Er hatte Shockley und Berger vor kurzem zusammen gesehen. Hier bei Fisher/Tyne. In Shockleys Büro. Dabei hatte Dr. Berger hier eigentlich nichts mehr zu suchen. Die Frage ist also, was wollte er bei Shockley?«
»Ein Beweis ist das kaum, Belinda«, seufzte Oliver.
»Das habe ich Kenny auch gesagt«, erwiderte sie. »Immerhin konnte Sparks Dr. Berger hergeschickt haben.«
»Richtig.«
»Trotzdem … Es steckt mehr dahinter. Kenny ist es schließlich gelungen, diese Manipulationen bis zu einem Terminal in Sparks’ Labor zurückzuverfolgen. Kenny hatte Berger im Visier. Er bekam Panik.«
»Und offenbar mit gutem Grund«, murmelte Marge. »Warum hat er das nicht der Polizei gemeldet?«
»Weil er keine konkreten Beweise hatte. Und wenn er sich ohne Beweise an die Polizei gewandt hätte, hätte er seinen Job verloren. Deshalb wollte er die Sache selbst in die Hand nehmen.«
Belinda verstummte.
»Fahren Sie fort«, bat Marge.
»Das ist alles. Gestern hat er mir gesagt, er wolle morgen, also heute, nicht ins Büro kommen. Deshalb habe ich mir nichts dabei gedacht, als er nicht aufgetaucht ist.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Aber als ich Ihren Wagen gesehen habe …«
Sie brach in Schluchzen aus.
»Ich habe solche Angst! Leide ich schon an Verfolgungswahn?«
»Vielleicht sollten Sie mit Ihrer Familie für ein paar Tage verreisen«, riet Marge. »Bis wir eine Vorstellung davon haben, was eigentlich los ist.«
»Ein paar Tage verreisen?« Belinda rang die Hände. »Und wie soll ich das meinem Mann erklären? Dass mein Ex-Geliebter ermordet wurde, weil er einem Datenbetrug auf der Spur war? Und dass seine Entdeckung mich und meine Familie in Gefahr bringen könnte?«
»Ich glaube nicht, dass Sie ihm sagen müssen, dass Kenny ihr Ex-Lover war«, warf Oliver ein.
»Wie sollte ich ihm sonst erklären, dass Kenny sich mir anvertraut hat?«
»Mrs. Sands«, begann Marge. »Ich habe keine
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