Decker & Lazarus 09 - Totengebet
wenn Sie’s wissen wollen!«
»Tut mir Leid, dass ich hier ein solches Durcheinander veranstalten muss.« Decker ließ weiter eine Bücherreihe zu Boden hageln.
»Man nennt das die Achtung vor dem geistigen Werk anderer. Und das ist etwas, worauf sich Ihre Frau besonders gut versteht.«
Decker ignorierte die Spitze und stieß die nächsten Bücher achtlos zu Boden.
»Ich kann es nicht fassen …« Brams Stimme verriet jetzt Wut. »Könnten Sie sie mir wenigstens runterreichen?«
»Tut mir Leid. Aber das würde zu lange dauern.«
»Sie werden hinter den Büchern nichts finden.«
Decker drehte sich um und sah ihn an. »Und wo finde ich was, Pater?«
Bram wich seinem Blick nicht aus, schwieg jedoch.
»Wenn Sie etwas verstecken, Pater, dann finde ich es«, sagte Decker. »Ich räume hier jedes Buch raus, klopfe die gesamte Holzverkleidung ab, schaue unter jedes Fußbodenbrett und schneide wenn nötig sämtliche Matratzen und Polster auf. Warum sparen Sie uns beiden nicht die Mühe und zeigen mir, was Sie haben?«
Brams Miene war trotzig und verschlossen. Ohne ein Wort zu sagen, ging er zum Kruzifix an der Wand. Er kniete nieder und sprach ein stummes Gebet. Eine Minute später entfernte er noch immer kniend ein Holzbrett von der Wand. Es hatte sich so nahtlos in die Verkleidung eingefügt, dass Decker die feinen Rillen mit bloßem Auge nicht erkannt hatte. Hinter dem Paneel kam ein Wandsafe zum Vorschein.
Decker kletterte vom Stuhl und zog Handschuhe an. »Würden Sie den Safe bitte für mich öffnen?«
Bram zögerte. Dann machte er sich am Zahlenschloss zu schaffen. Mehrere Minuten vergingen.
»Nun machen Sie schon«, mahnte Decker. »Hören Sie auf, Zeit zu schinden. Ich spreng das Ding auf, wenn’s sein muss.«
Mit hochrotem Gesicht sah Bram auf. Der Schweiß rann ihm von der Stirn. Er wischte ihn mit dem Ärmel an. »Ich bin nervös. Meine Hände zittern. Wenn Sie wollen, nenne ich Ihnen die Zahlenkombination. Dann können Sie den Safe öffnen.«
»Nein, das machen Sie«, entgegnete Decker gelassen. »Ich bin geduldig.«
»Danke.«
Weitere Minuten verstrichen. Bram drehte den Zahlenkranz hin und her bis ein hörbares Klicken ertönte. Der Priester drehte am Knauf, und die Safetür war offen. Er stand auf, ging zur Couch hinüber, setzte sich, faltete die Hände im Schoß, den Blick auf das Kruzifix an der Wand geheftet. Als Decker niederkniete, stieg ihm ein scharfer säuerlicher Geruch in die Nase. Er griff hinein und zog einen Stapel zusammengefalteter Kleidungsstücke heraus. Er roch daran. In den scharfen Schweißgestank mischte sich der deutlich süße, leicht metallische Geruch von Blut. Er betrachtete die Kleidungsstücke flüchtig. Frische Blutspritzer an Knien, Hosenaufschlägen und Hemdenmanschetten. Rötlich braune Spritzer überall. Gute Ausbeute für die Spurensicherung. Massenweise Blutproben, mit denen man arbeiten konnte.
Decker steckte die Kleidungsstücke in Tüten und durchsuchte weiter den Safe. Ganz hinten fand er ein Paar Schuhe, die Sohlen rot vor Blut und mit Glassplittern gespickt. Decker erinnerte sich genau, dass Martinez der Spurensicherung blutige Schuhspuren in Decamerons Haus gezeigt hatte. Nett, wenn man noch die dazu gehörigen Schuhe präsentieren konnte. Besonders, wenn es sich um Turnschuhe mit markantem Gummiprofil handelte.
Decker suchte weiter, hoffte Waffen zu finden. Aber in dieser Beziehung hatte er weniger Glück. Denn, ganz im hintersten Eck, bisher von den Kleidern verborgen, lag ein Stapel Zeitungen. Ein Dutzend Ausgaben eines Monatsmagazins. Decker nahm sie heraus, blätterte das erste Heft durch.
Es war von der Sorte »Hast du eines gesehen, kennst du alle«, eine besonders üble Art von Pornografie. Nicht, weil es sich um eine Zeitschrift für Schwule handelte. Die dargestellten Sado-Maso-Praktiken wirkten schon fast harmlos. Es war das Body-Piercing, bei dem sich Decker der Magen umdrehte. Nadeln, Metallnieten und Injektionsspritzen in Nasen, Lippen, Augenlidern, Zungen, Brustwarzen, Penissen und Hoden. Decker hatte Mühe, keine Miene zu verziehen.
Er stand auf und ging mit dem Heft in der Hand zu Bram. Er schlug es an der Stelle auf, wo ein Faltplakat eingefügt war, das einen blonden Jüngling zeigte, der stolz eine große Anzahl von Nadeln an den entscheidenden Körperstellen präsentierte. Er zeigte es dem Priester. Bram wandte den Blick ab.
»Jetzt verstehe ich, warum Sie eine eigene Wohnung gemietet haben«, sagte Decker
Bram
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