Decker & Lazarus 09 - Totengebet
diesen Umständen. Das verbietet mir mein Beruf.«
»Was Sie hier hören, sind sehr intime Dinge. Sie können sie nicht gegen meine Mutter verwenden. Außerdem möchte sie einen Anwalt.«
»Soll ich Mr. Waterson anrufen, Bram?«, fragte Michael.
»Nein, auf keinen Fall.« Zu Decker gewandt sagte er: »Hören Sie, was ich sage? Sie möchte einen Anwalt. Einen richtigen Anwalt.«
»Verstehe.« Decker hielt kurz inne. »Sie hat Ihnen also alles gesagt. Oder Sie haben es sich zusammengereimt, nachdem Decameron ermordet worden war …«
»Wo liegt da der Unterschied?«
Tränen rannen über Dolly Sparks Gesicht, die Finger hielten die Waffe noch immer umklammert. »Sie sind meinetwegen da, stimmt’s? Sie wollen mich fortbringen …«
»Bitte, Lieutenant«, sagte Bram beinahe flehentlich.
»Wenn Sie schon nicht gehen wollen, dann machen Sie wenigstens alles nicht noch schlimmer.« Er hielt die Hände seiner Mutter, drehte die Mündung der Waffe von ihr weg. »Mom, ich kümmere mich um alles. Ich bin für dich da. Du weißt das …«
»Es ist zu spät!«, schluchzte sie.
»Nein, es ist nicht zu spät. Verlier nie den Glauben, Mom. Das hast du mich gelehrt.«
»Hab ich das?«
»Ja. Du hast mir alles beigebracht. Du hast mich gelehrt, dass Gott der Herr für unsere Sünden gestorben ist. Damit wir uns seiner in der Not erinnern, uns seiner ewigen Liebe erinnern. Er liebt uns alle. Sünder wie Heilige. Er liebt dich.«
Dolly schwieg. Deckers Hand glitt unmerklich zu seinem Schulterhalter. Er löste den Sicherungsriemen. Dann umschlossen seine Finger den Knauf der Waffe.
»Die Gebote lehren uns, Vater und Mutter zu lieben«, fuhr Bram fort. »Ich habe dich sehr lieb, Mutter. Wir stehen das gemeinsam durch. Aber zuerst gibst du mir die Waffe.«
»Die Polizei weiß …«
»Psst …«
»Sie wissen es, Abram. Sie wissen es!« Ihre wässrigen Augen waren auf Decker gerichtet. »Ich werde sterben!«
»Niemand wird sterben«, entgegnete Bram.
»Es war alles meine Schuld.«
»Keinen trifft Schuld, Mom.«
»Ich war keine gute Frau.«
»Du warst die beste Frau«, schmeichelte er ihr. »Die beste Ehefrau und Mutter. Wir lieben dich alle sehr. Dein Schmerz ist mein Schmerz. Bitte, lass dir helfen.«
»Warum hat er uns das angetan? Warum hat er mir das angetan?«
»Ich weiß es nicht, Mom.«
»Nach all den Jahren der Hingabe! Nie war ich ihm untreu, nicht einmal in Gedanken. Ich wollte nie etwas anderes, als ihm eine gute Frau sein.«
»Du warst wunderbar, Mom.«
»Warum ist er dann so geworden?«
Marge trat lautlos hinter Decker, flüsterte: »Verstärkung ist unterwegs.«
»Mom?«, sagte Michael.
Dolly hob den Blick zu ihrem jüngsten Sohn.
»Ich liebe dich auch, Mom.«
Sie antwortete nicht.
»Mom, bitte, gib Bram die Waffe«, fuhr Michael fort. »Wir sorgen für dich. Bitte.«
Dollys Augen schweiften zu Bram. »Warum will er eine solche verabscheuungswürdige Sünde begehen, Abram?«
Michael wirkte verwirrt. In Brams Augen lag Verständnis. »Ich weiß nicht, warum Gott die Menschen so erschafft, Mom. Es ist nicht an uns, das zu fragen.«
»Und warum hast du ihm deinen Segen gegeben, Abram?«, brach es ärgerlich aus Dolly heraus. »Wie konntest du das tun? Ausgerechnet du hast ihm die Erlaubnis erteilt, sich so schwer zu versündigen!«
»Ich habe ihm nie meinen Segen gegeben, Mom.«
»Du hast gesagt, es sei gesund, sich in der Fantasie auszuleben. Du hast ihm gesagt, es sei erlaubt!«
»Niemals, Mom.«
»Aber das hat er mir gesagt.«
»Ich habe ihm nie erlaubt zu sündigen, Mom«, entgegnete Bram ruhig. »Ich habe ihm nie meinen Segen gegeben. Was ich gesagt habe, war …«
Er räusperte sich.
»Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe, egal welchen Weg. er gehen würde.«
»Und mit deiner Billigung hast du ihn auch noch ermuntert!«, schimpfte sie. »Du hast ihn ermutigt, zu sündigen. Damit hast du ihn zur Hölle verdammt. Und mich mit dazu.«
»Das begreife ich erst jetzt«, sagte Bram sanft. »Ich habe falsch gehandelt. Es war alles meine Schuld …«
»Oh, mein Goldjunge!«, entfuhr es Dolly Sparks. Sie griff nach seinen Händen, ohne die Waffe loszulassen. »Mein keuscher, wunderbarer, kostbarer Sohn. Ich bin so grausam zu dir gewesen!«
»Gib mir die Waffe, Mom. Lass sie los.«
»Das alles wäre nie geschehen, wenn er dich nicht weggeschickt hätte. Du wärst Pfarrer geworden, ein echter Diener Gottes, kein Priester. Du hättest den wahren Glauben nie für diesen Götzenkult
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