Decker & Lazarus 09 - Totengebet
Eine sehr konservative Frau. Die Familie ist ihr Leben.«
»Und das alles konnten Sie auf den Weihnachtsfeiern beobachten?«, fragte Oliver.
Liz schüttelte den Kopf. »Azor ist einmal so nett gewesen, uns an einem Sonntag zum Essen einzuladen. Dolly, Mrs. Sparks muss fast die ganze Zeit in der Küche verbracht haben. Sie tischte unaufhörlich Essen auf – und tat es offensichtlich gern. Sie liebte es, die Gastgeberin zu spielen. Wir haben sie immer wieder gebeten, doch sitzen zu bleiben, aber sie hat nur gelacht. Sitzen bliebe sie nur an ihrem Geburtstag, hat sie gesagt. Und es war ein wahres Festessen! Eine Unmenge von Gerichten. All ihre Kinder und Enkelkinder waren anwesend. Der Sonntag war ein wichtiger Tag in seinem Leben. Er war eben sehr religiös.«
»Und alle haben sich gut verstanden?«
»In meinen Augen, ja.«
»Keine Spannungen?«, fragte Marge.
»Nicht so lange ich da war.« Dr. Fulton rieb sich die Augen. »Mein Mann und ich haben immer gewitzelt, die Sparks-Familie sei ein Anachronismus, wie aus einer anderen Zeit. Besonders im Vergleich zu uns …« Sie hielt abrupt inne.
»Im Vergleich zu Ihnen? Wie meinen Sie das?«, hakte Marge sofort nach.
»Mein Privatleben tut nichts zur Sache.«
Wie auf ein Stichwort heulte ein knatternder Motor draußen in der Einfahrt auf, dann war es plötzlich unheimlich still. Die Haustür flog auf und ein Mann stolperte herein. Er hatte überlange Gliedmaßen, war ungewöhnlich groß und schlank, und wirkte wie eine Marionette in Lederweste, löchrigen Jeans und schmutzigen, schwarzen Lederstiefeln. Seine Züge waren hinter einem Dreitagebart und wirren blonden Locken verborgen, die ihm bis auf die Schultern fielen. Whiskeydunst umwehte ihn und füllte allmählich den Raum. Sein glasiger Blick erfasste seine Frau und schweifte dann zu den Besuchern.
»Was ist denn hier los?«
Dr. Fulton war rot geworden, die personifizierte Wut. »Ich muss noch mal ins Krankenhaus, Drew. Ein Notfall.« Tränen traten in ihre Augen.
Drew schien verwirrt. »Wie? Wie viel Uhr ist es denn?«
»Viertel nach eins.«
»Warum musst du in die Klinik?«
»Weil Dr. Sparks ermordet worden …«
»Was?«
»In der Klinik brauchen sie Hilfe, Drew. Ich muss fahren. Entschuldige mich.« Dr. Fulton schlug die Hände vors Gesicht und floh aus dem Zimmer.
»Ermor …« Drew ließ sich wie betäubt in den Schaukelstuhl fallen und sah Oliver an. »Ohne Scheiß?«
»Ohne Scheiß.«
»Großer Gott … das ist …« Drew kratzte sich an der Backe, rieb sich die wasserblauen, gegenwärtig rot unterlaufenen Augen. »Verliert sie ihren Job?«
»Keine Ahnung.« Marge starrte ihn an.
»Was ist passiert?«
Oliver ging zur Tür und öffnete sie, um frische Luft hereinzulassen. Vielleicht würde der Kerl den Wink verstehen und gehen. Tat er jedoch nicht. »Genau das versuchen wir rauszukriegen.«
»Sind Sie von der Polizei?«
»Ja.«
»Mann, dann ist es also ernst, was?«
»Wie heißen Sie mit vollem Namen, Sir?«, erkundigte sich Marge.
»Meinen Namen?«
»Ja, Ihren Namen bitte?«
»DrewMcFadden. Ich werde doch nicht verdächtigt, oder?«
Marge und Oliver tauschten einen Blick. Oliver ging zu ihm, lehnte sich gegen das Erkerfenster und sah auf Drew herab. »Wie kommen Sie auf die Idee? Ich meine, dass Sie verdächtigt werden könnten?«
Drew blickte verwirrt und sprachlos auf. »Wird Liz verdächtigt?«, brachte er schließlich heraus.
»Sollte sie denn?«, fragte Marge.
»Ich glaub nicht.« Drew lachte. »Aber ich weiß nicht viel.«
Einsicht ist der halbe Weg zur Besserung, dachte Marge. »Hatte Ihre Frau ein enges Verhältnis zu ihrem Chef?«
»Schon. Ich hab oft …« Er verstummte. Seine Frau war zurückgekommen. Sie trug jetzt eine weiße Bluse, eine schwarze Hose und einen weißen Labormantel, mit Namensschild und Foto am Revers. Zu den Polizisten gewandt sagte sie: »Falls Sie mehr wissen wollen, ich bin in der Klinik.« Sie sah ihren Mann an. »Henrys Fläschchen steht im Kühlschrank. Für den Fall, dass ich noch nicht zurück bin. Marta kommt um sieben.«
»Ich mach das schon, Liz.«
»In Ordnung.«
»Das mit Dr. Sparks ist schlimm, Liz. Tut mir Leid.«
Dr. Fultons Züge wurden weich. »Danke, Drew. Geh und schlaf ein bisschen.« Zu Oliver und Marge sagte sie: »Kann ich Sie hinausbegleiten?«
»Würde gern erst mal telefonieren«, erklärte Oliver. »Falls es erlaubt ist.«
»Bedienen Sie sich«, sagte Dr. Fulton. »Gute Nacht.«
Die Tür fiel leise hinter
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